Gedanken zum 1. Advent: Maria

Lübeck: Archiv - 27.11.2021, 09.00 Uhr: In ihren Gedanken zum 1. Advent beleuchtet Pastorin i.R. Ellen Naß einen kaum beachteten Aspekt der Weihnachtsgeschichte: Den Mut von Maria zu einer Zeit, als unverheiratete Frauen mit einem Kind von der Gesellschaft verachtet wurden.

In der letzten Woche wurde in den Nachrichten berichtet, dass in Afghanistan künftig keine Filme oder Serien mehr gesendet werden dürfen, die Frauen zeigen. Ich weiß nicht, ob diese Nachricht stimmt. Wenn es wahr wäre, wäre schwer vorstellbar, wie das gehen soll. Immerhin machen Frauen mehr als 50% der Menschheit aus, selbst in Ländern und Gesellschaften, in denen sie keine Berufe ausüben dürfen, sind sie Mütter, Ehefrauen, Töchter und Schwestern. Eine Filmhandlung ohne sie scheint mir kaum machbar.

Ganz so unsichtbar waren die Frauen zur Zeit Jesu nicht. In den Evangelien werden immer wieder Frauen erwähnt, die handeln. Aber einiges war damals so, wie wir es aus Ländern wie Afghanistan hören. Mädchen wurden mit 13 oder 14 verheiratet, natürlich mussten sie Jungfrauen sein, Ehebruch war für eine Frau strafbar und unter Umständen tödlich. Dafür konnten Männer sich von ihrer Frau ganz leicht trennen.

Ich erwähne diese Tatsachen, weil es auf diesem Hintergrund erstaunlich und unglaublich ist, was über Jesu Geburt berichtet wird. Morgen feiern wir den 1. Advent, bereiten uns auf Weihnachten, die Geburt Jesu vor. Die Ereignisse vor seiner Geburt waren genauso ungewöhnlich und skandalös wie die Geburt selbst und wie sein Tod als Verbrecher am Kreuz.

Jesu Mutter Maria muss schon als Teenager – denn älter als 13 wird sie nicht gewesen sein, sonst wäre sie verheiratet gewesen und nicht verlobt – ein ungewöhnliches Mädchen, eine ungewöhnliche Frau gewesen sein. Denn was mit ihr passierte, war damals ein Skandal. Man muss sich solch ein Ereignis nur einmal in Afghanistan oder einem ähnlichen Land vorstellen.

Ein junges Mädchen, heiratsfähig und schon verlobt, ist allein zu Hause. Das allein ist schon merkwürdig, denn in ärmeren Verhältnissen waren die Häuser klein und die Familien groß. Sie ist allein, als plötzlich ein wildfremder Mann bei ihr im Zimmer steht.

Denn Engel Gottes waren männlich. Es waren – und sind – Boten Gottes, und niemand hätte damals einer Frau eine wichtige Botschaft anvertraut. Die vielen niedlichen Engelsdarstellungen mit jungen Frauen als Vorbild verdeckten den Skandal, haben vielleicht auch dazu beigetragen, dass er jahrhundertelang gar nicht wahrgenommen wurde, Alleinerziehende und ihre Kinder abfällig und schlecht behandelt wurden.

Maria hat ja auch Angst, als der Engel ihr sagt, dass sie schwanger sein wird. Sie hat Angst, dass Joseph sie verlassen wird, dass sie als Frau ohne Sitte und Anstand dastehen wird, ihr ganzes Leben lang ausgestoßen und verachtet, weil sie ein uneheliches Kind bekommen hat. Dass es anders kommen wird, konnte sie nicht ahnen. Trotzdem lässt sie sich auf die Botschaft ein, erklärt sich bereit, das Kind auszutragen.

Sie kann uns Vorbild sein und Zeichen, dass wir nicht vorschnell über andere urteilen. Sie kann uns zeigen, wie man auch in schwierigen Zeiten und unter schwersten Umständen gut handeln kann, Gottes Willen tun. Ihre Geschichte kann uns ermutigen, solche Zustände wie damals nicht zuzulassen, auch heute nicht.

Wenn wir Advent feiern, uns auf Weihnachten vorbereiten, dann können wir an Maria denken, ohne die es kein Weihnachten gäbe. Wir können dankbar sein, dass wir in anderen Verhältnissen leben. Als sie schwanger war, hat Maria gesungen: „Er stößet die Gewaltigen vom Thron und erhebet die Niedrigen, die Hungrigen füllet er mit Gütern und lässet die Reichen leer.“ Durch ihren Mut ist es wahr für uns geworden, wurde Jesus zu Weihnachten geboren, kam Gott als Mensch in unsere Welt, können wir Advent und Weihnachten feiern, in Freiheit, alle Menschen.

Pastorin i.R. Ellen Naß veröffentlicht die Gedanken zum Wochenende im Wechsel mit Heinz Rußmann.

Pastorin i.R. Ellen Naß veröffentlicht die Gedanken zum Wochenende im Wechsel mit Heinz Rußmann.


Text-Nummer: 148645   Autor: red.   vom 27.11.2021 um 09.00 Uhr

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