Ulrike Draesner: Schwitters im Rathaus

Lübeck: Archiv - 02.10.2022, 11.17 Uhr: Am Mittwoch war die bekannte Autorin Ulrike Draesner mit einer Lesung ihrer Romanbiographie „Schwitters“ im Lübecker Rathaus zu Gast. Der vielseitige Abend bot neben der Lesung informative Kontexte und Geschichten zum Leben und Werk des Künstlers Kurt Schwitters.

Der Abend begann mit einer Einleitung von Dr. Birte Lipinski, die eine Verbindung zwischen Kurt Schwitters, dem Protagonisten von Draesners Roman, und Thomas Mann aufzeigte. Die Leiterin des Buddenbrookhauses führte im Rahmen der Veranstaltung auch ein Gespräch mit der Autorin, bei dem im Nachhinein Publikumsfragen an Ulrike Draesner gestellt werden konnten.

Draesner las insgesamt drei Textstellen, die unterschiedliche Zeitpunkte in Kurt Schwitters’ Leben auf seinem Weg ins Exil darstellten. Schwitters ist dieser Tage vor allem als Künstler des Surrealismus, Konstruktivismus und besonders des Dadaismus bekannt. Allerdings war er auch ein Wortkünstler, was die Schriftstellerin neben seiner Exilgeschichte in ihrem Roman noch einmal hervorhebt. In Form der Romanbiographie versucht sie, den Lesern das Leben des im frühen 20. Jahrhundert prägenden Künstlers näherzubringen.

Ulrike Draesners Faszination mit dem Exil komme nicht von ungefähr: „Mein eigener Vater war ein schlesischer Flüchtling, was meine Kindheit wesentlich beeinflusst und geprägt hat“, erzählte Draesner im Gespräch mit Lipinski. Sie habe im Schreibprozess die lückenhafte Biographie von Kurt Schwitters mit kreativen Elementen gefüllt, um seine Geschichte zum Leben zu erwecken. „Die Idee der Romanbiographie ist aus den Quellen entstanden, die ich nicht zur Verfügung hatte. An dieser Stelle ist die Erzählerin in mir erwacht. Trotzdem ist mir aber die Genauigkeit sehr wichtig, man kann also sagen, dass die Szenen aus der Wirklichkeit heraus erfunden sind“, so Draesner. Am Abend der Lesung gab die Autorin zusätzlich einen umfangreichen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Romans sowie die aufwendige Recherche in verschiedenen Archiven in Deutschland, England und Norwegen.

Besonders eindrucksvoll war ein Kapitel über Kurt Schwitters’ Zeit im englischen Exil. Nach einiger Zeit in unterschiedlichen Gefangenenlagern, die Schwitters’ Gesundheitszustand radikal verschlechterten, wohnte er in einer kleinen Wohnung in London, wo er im Dezember 1941 seine spätere Lebensgefährtin Edith Thomas zunächst als seine Nachbarin kennenlernte. Mit verschiedenen Tricks schaffte es der Protagonist, die Angebetete von sich zu überzeugen – trotz Sprachbarriere. Besonders an dieser Stelle ist Draesners Schriftstellerisches Können hervorzuheben, das genau so viel Witz und Humor enthält, wie Kurt Schwitters auch zu Lebzeiten an sich hatte. Es entstand der Eindruck eines nahtlosen Übergangs von Wirklichkeit zu Fiktion, bei dem man gerne weiter darüber nachdenkt, wer die Person Kurt Schwitters war. Draesners Erzählkunst nimmt die Leser mit auf Schwitters’ äußere sowie auch seine innere Reise, die in zwei literarisch eindrucksvoll beschriebene Leben mündet: Kurt in Deutschland und Kurt im Exil.

Die Lesung des Romans „Schwitters“ mit Ulrike Draesner bot rund eineinhalb Stunden gute Unterhaltung, bei der man tief in die Welt des Künstlers im Exil eintauchen konnte. Die ausdrucksstarke Vortragsweise der Autorin und interessante Kontexte regten dazu an, sich weiter mit dem Werk Schwitters’ auseinanderzusetzen.

Ulrike Draesner stellte ihren Roman im Audienzsaal des Rathauses vor. Foto: Lisa Gerlach

Ulrike Draesner stellte ihren Roman im Audienzsaal des Rathauses vor. Foto: Lisa Gerlach


Text-Nummer: 154216   Autor: Lisa Gerlach   vom 02.10.2022 um 11.17 Uhr

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