ELISA: Ergebnisse der Lübecker Corona-Studie liegen vor

Lübeck: Archiv - 10.05.2021, 09.35 Uhr: Ein Ausgangspunkt der ELISA-Studie (Lübecker Längsschnittuntersuchung zu Infektionen mit SARS-CoV-2) war die Frage nach der Dunkelziffer von SARS-CoV-2 Infektionen. Bei wie vielen Personen wird die Infektion mittels PCR-Test diagnostiziert und wie viele haben bereits Antikörper gegen das Virus und damit wahrscheinlich schon eine Infektion durchlebt? Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Weiter wollten die Forscher untersuchen, wie sich das Virus in der Bevölkerung verbreitet. Wann und wo treten Neuinfektionen auf? Und: Welche Faktoren erhöhen das Risiko, sich anzustecken?

Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen wurde in der ELISA-Studie eine feste Bevölkerungsgruppe (Kohorte) aus Lübeck und Umgebung über ein Jahr regelmäßig untersucht und befragt. Über 3000 Personen nahmen mittels einer mobilen Studien-App teil. Über ein Jahr wurden knapp 100.000 Fragebögen erhoben und fast 20.000 PCR- und Antikörpertests durchgeführt.

Beantworten wollten die Forschenden aus den Bereichen Epidemiologie, Infektiologie und Neurologie zudem die Frage, ob sich die Pandemieentwicklung an einer Stichprobe von circa einem Prozent der lokalen Bevölkerung zuverlässig beschreiben ließe.

Außerdem im Fokus der Forschungsgruppe: Wie hoch sind die Infektionsraten in definierten Risikogruppen mit vielen Kontakten (zum Beispiel Kranken- und Altenpflege) und welchen Einfluss haben die Lockerungsmaßnahmen (zum Beispiel Schulöffnungen, Gastronomie, Tourismus etc.) auf das Infektionsgeschehen? Besonderes Augenmerk wurde auf die Entwicklung der Antikörper-Spiegel im Blut über die Zeit gelegt: bleibt eine erworbene Immunität auch erhalten?

Schleswig-Holstein zählt auch aktuell in Deutschland zu den Niedrigprävalenzgebieten für Corona-Infektionen. Der Großraum Lübeck gehört mit seinencirca 300.000 Einwohnern zur Metropolregion Hamburg. Viele Menschen pendeln zwischen Lübeck und Hamburg und normalerweise besuchen circa 50.000 Touristen pro Tag die Hansestadt Lübeck. Daher eignet sich die Region ideal als Modellregion, besonders um die Dynamik des Infektionsgeschehens zu verfolgen.

Die Ergebnisse der Langzeitstudie der Universität zu Lübeck:

- Die Teilnehmer blieben über das gesamte Jahr mit Teilnahmeraten von 75 bis 98 Prozent weit überdurchschnittlich engagiert und erlauben somit valide Aussagen zum Infektionsgeschehen
- 3,5 Prozent der Getesteten wurden dabei an den insgesamt 7 Testzeitpunkten als entweder Virus-PCR- oder Antikörper-positiv identifiziert.
- Die Dunkelziffer lag zu Studienbeginn im Mai 2020 bei circa 90 Prozent. Das heißt, dass nur 10 Prozent der mutmaßlichen, durch Antikörpertest bestätigten Infektionen auch durch einen PCR-Test entdeckt wurden und somit in die offizielle Statistik eingingen. Knapp ein Jahr später ist die Dunkelziffer auf 30 Prozent gesunken, das heißt 7 von 10 Infektionen wurden auch durch einen PCR-Test bekannt.
- Antikörperspiegel blieben relativ konstant über die Zeit. Bei den Personen, die im Mai 2020 positive Antikörper aufwiesen, waren diese knapp ein Jahr später bei etwa 70 Prozent noch nachweisbar.
- Mit circa einem Prozent der Bevölkerung konnte das Pandemiegeschehen in der Region Lübeck zwar gut abgebildet werden, aber ansteigende Infektionen bei den im Herbst 2020 zwei Monate auseinanderliegenden Testzeitpunkten konnten nur verzögert entdeckt werden.
- Das höchste Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, bestand bei Personen, die Kontakt mit an Covid-19 Erkrankten angegeben hatten. Es war jedoch auch in bestimmten Berufsgruppen, wie zum Beispiel bei Pflegepersonal, Polizisten und Feuerwehrleuten erhöht. Darüber hinaus konnten keine klaren Risikofaktoren oder Risikomuster als Infektionsquellen identifiziert werden.

Schlussfolgerungen aus der ELISA-Studie:

- Mit einer Stichprobe in der Größenordnung von 1 Prozent der Bevölkerung lässt sich mit engmaschigem Testen das Infektionsgeschehen gut abbilden und zur Bewertung ggf. zur Vorhersage des Pandemiegeschehens in einer Region nutzen.
- Die Prävalenz von 3,5 Prozent an durchlebten Infektionen zeigt, dass man auch nach einem Jahr Pandemie weit von einer Herdenimmunität entfernt ist. Die Bevölkerung ist weiterhin vulnerabel für das Corona-Virus, was die Bedeutung von Impfung und Aufrechterhaltung von AHA_L Regeln betont.
- Die Dunkelziffer war zu Beginn der Pandemie hoch. Die wahre Infektionslast dürfte hier bis zu zehnmal höher gewesen sein, als offizielle Fallzahlen dies vermuten lassen. Heute wird die Mehrzahl der Infektionen über die vermehrten Testungen häufiger entdeckt, die Dunkelziffer ist stark gesunken.
- Die Studie zeigt, dass in Regionen mit niedriger Inzidenz Öffnungsschritte unter kontinuierlicher Beobachtung vertretbar sind. So zeigte sich in den Untersuchungen der ELISA-Studie kein Anstieg der Fallzahlen ab Mai 2020 - trotz weitreichender Öffnungsschritten im gesellschaftlichen Leben sowie eines zu den Vorjahren vergleichbaren Ferientourismus in der Lübecker Bucht.

Die ELISA-Studie wird gefördert durch das Nationale Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin (B-FAST), das Land Schleswig-Holstein, Stiftungen und Vereine und durch die Lübecker Bevölkerung (Crowd funding).

Weiterführende Informationen finden Sie hier: www.elisa-luebeck.de

ELISA ist die erste Langzeituntersuchung in einem Niedrigprävalenzgebiet. Foto: Archiv

ELISA ist die erste Langzeituntersuchung in einem Niedrigprävalenzgebiet. Foto: Archiv


Text-Nummer: 144825   Autor: Uni Lübeck/Red.   vom 10.05.2021 um 09.35 Uhr

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