Tunnel-Demo wegen Maut-Ärger

Lübeck: Archiv - 01.03.2022, 19.12 Uhr: Zwei Euro zehn kostet die Maut am Herrentunnel für normale Autos seit dem 1. März. Die Tarife für größere Fahrzeuge sind noch teurer und wurden auch wieder angehoben. Eine erboßte Kücknitzerin brachte es am Dienstag bei einer Demo vor dem Tunnel auf den Punkt: "Wir fahren nicht nur nach Lübeck, wir kommen auch wieder zurück - und dann sind wir vier Euro zwanzig los."

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Die mehr als 150 Kücknitzer starteten ein Pfeifkonzert, für die meisten kostet der Tunnelspaß mittlerweile nahezu 1000 Euro im Jahr, und Kücknitz ist nicht gerade der Stadtteil, in dem die wohlhabenden Lübecker wohnen. "Wer den Tunnel nicht braucht, dem ist das egal", hörte man immer wieder aus der Demo heraus. In Kücknitz ist man aber auf die Travequerung angewiesen. Das Bauwerk ist ein Dauerärgernis für die Bürger nördlich der Trave. Sie fühlen sich abgehängt aufgrund einer Fehlentscheidung der Lübecker Bürgerschaft aus dem Jahre 1999.

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CDU-Fraktionschef Oliver Prieur demonstrierte mit seinem Lkw in der ersten Reihe.

Die Bürgerschaftsmitglieder wurden in das Tunnel-Desaster nahezu hinein-schanghait, wie es in der Seefahrt so schön heißt, wenn man über den Tisch gezogen wurde. Bis zwei Stunden vor der Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung blieb der Vertrag geheim, so dass seinerzeit keine Zeit für eine sorgfältige Prüfung blieb. Die wäre aber notwendig gewesen, wie es sich jetzt herausstellt, denn der Bund hat seine Straße so sauber aus der Verantwortung herausgelöst und den Lübeckern das Konzessionsgebiet so unwiderruflich übertragen, dass den Lübeckern jetzt keine rechtliche Möglichkeit bleibt, aus der selbstverschuldeten Misere wieder herauszukommen.

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Hartmut Haase und Dieter Dobbronz von der Herreninsel sind besonders von der Situation betroffen.

Wie man sich seinerzeit auf völlig irrwitzige Prognosen von Verkehrsexperten verlassen konnte, bleibt wohl für immer ein Geheimnis. Die haben gezählt und prognostiziert als die A20 seinerzeit noch im Bau war und haben sich 45.000 Durchfahrten für das Jahr 2005 zusammenspekuliert. Darauf wurden von den Banken auch Kredite gegeben. Als die A20 dann aber freigegeben wurde pendelte die Frequenz sich im Zahlenraum weit unterhalb dieser Marke ein, in der Presse werden immer wieder maximale Durchfahrtzahlen von 17.000 Fahrzeugen am Tag genannt. Tunnelgegner sind damals schon Sturm gelaufen gegen diese gutachterlichen Phantasiezahlen, wurden aber von den Fachleuten für inkompetent erklärt.

Der Abteilung Wirtschaft und Finanzen ist mittlerweile natürlich längst klar, dass dann eben länger an dem Bauwerk abgezahlt werden muss, und damit wären die Bürger nördlich der Trave eben noch jahrzehntelang dabei - natürlich mit weiter steigenden Mautgebühren. Das führt in den kommenden Jahren zu einer weiteren Verschärfung von Ungerechtigkeiten, denn die Bürger pochen auf die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen im gesamten Lübecker Raum.

Politisch haben sie mittlerweile wohl alle Fraktionen der Lübecker Bürgerschaft auf ihrer Seite, denn dass die derzeitigen Zustände nicht gerecht sind, dämmert wohl mittlerweile allen, die in der Hansestadt politische Verantwortung tragen. Auch die neuen Bundestagsabgeordneten versuchen Bewegung in diese verfahrene Situation hineinzubringen.

Dabei sind alle politischen Kreise natürlich auch realistisch und machen keine Versprechungen, die nicht gehalten werden können. Sie unterstützen die Forderungen nach Abschaffung der Maut, kennen aber eben auch die unvorteilhaften Verträge, die nur eine Lösung zulassen, wenn die ganze Angelegenheit politisch neu bewertet wird und auf diese Weise endlich Bewegung in die Angelegenheit kommt.

Georg Sewe vom Gemeinnützigen Verein Kücknitz und dem Bündnis gegen die Maut hofft daher auf die neue Bundesregierung und auf die kommenden Landtagswahlen. Nicht ohne Verbitterung merkte er in seiner kämpferischen Rede auf der Demonstration noch an: "Schade, dass der Tunnel nicht in Bayern liegt. Dann hätte es gereicht, den Verkehrsminister zum Bier einzuladen, um die lästige Sache schnell aus der Welt zu schaffen."

Gemeint damit war Andy Scheuer aus der vorherigen Regierung, der laut Sewe zuletzt knapp erklären ließ, dass er in Sachen Herrentunnel keinen Handlungsbedarf sieht.

Im Original-Ton hören Sie Interviews von Harald Denckmann mit Demo-Organisator Georg Sewe, Thomas Misch von den Freien Wählern, CDU-Fraktionschef Oliver Prieur und dem Bundestagsabgeordneten Bruno Hönel.

Rund 150 Betroffene demonstrierten gegen die Maut für den Herrentunnel. Fotos, O-Ton: Harald Denckmann

Rund 150 Betroffene demonstrierten gegen die Maut für den Herrentunnel. Fotos, O-Ton: Harald Denckmann


Hier hören Sie den Originalton:

Text-Nummer: 150262   Autor: Harald Denckmann   vom 01.03.2022 um 19.12 Uhr

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