Experten: Das Ende der Inflation ist noch nicht erreicht
Lübeck: Archiv - 15.06.2022, 21.07 Uhr: Zu einem hochkaratig besetzten Podiumsgespräch über aktuelle Wirtschaftsfragen hatte die Technische Universität Lübeck am Mittwochabend geladen. Der hiesige Kapitalmarktexperte Professor Leef H. Dierks hatte zur Erörterung aktueller Fragen einen prominenten Gast geladen.Professor Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft ist unter anderem in der Kommission für die jeweils aktuellen Steuerschätzungen tätig und ist ebenfalls im Gutachterkreis für die Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Situation. Genug Sachverstand also, um die Themen Inflation, Stagflation und Rezession fachlich zu erörtern und nebenbei auch noch einen Blick auf die Lohn-Preis Spirale zu werfen.
Wenig Hoffnung auf baldige Besserung gab es dabei von Professor Leef Dierks. "Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht" verkündete er gleich zu Beginn seines Impulsreferates vor dem Hintergrund einer aktuell vorhandenen Inflationsrate von nahezu acht Prozent. "Das ist der höchste Wert seit 50 Jahren", mahnte er und warnte gleichzeitig davor, bei der Wahrnehmung der Inflationsrate mit langjährigen Mittelwerten zu operieren. "Dann liegen wir noch lange unter zwei Prozent, aber das spiegelt die aktuelle Dramatik nicht wider", hieß es dazu.
Von beiden Experten wurde das gesamte Spannungsfeld erörtert. Die Fiskalpolitik der Bundesregierung, der europäische Kontext, die Aktivitäten der Europäischen Zentralbank vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen der einzelnen Mitgliedstaaten und letztlich auch die Lage im Dollarraum und die unter anderen Prämissen stattfindenden Aktivitäten der amerikanischen Zentralbank. Die sind nämlich nicht nur der Geldwertstabilität, sondern auch dem Wirtschaftswachstum verpflichtet.
Von daher kommen Zinssignale aus den USA, die südeuropäische Nationen in arge Schwierigkeiten bringen könnten. Der Experte aus Kiel erläuterte in diesem Zusammenhang die schwierige Entscheidung zwischen weiterem Wachstum und stabilem Arbeitsmarkt bei gleichzeitiger Inflation, und erhöhter Geldwertstabilität, mit der man aber eine Rezession riskieren würde.
Wäre schön, wenn es eine Zauberformel gäbe, aber die ist mittelfristig nicht in Sicht. Aus dem Publikum von jungen Studierenden auch die bange Frage, ob denn der Lebensstandard der Eltern langfristig wenigstens erhalten bleiben kann. Da blieb man auf dem Podium realistisch, denn der notwendige Umbau der Industrie erfordert Kosten, die von der gesamten Gesellschaft getragen werden müssen, bevor man sich aus der Abhängigkeit von Energieimporten gelöst hat. Die sind es nämlich, die letztliche die Verbraucherpreise in mehreren Sektoren in die Höhe treiben.
Optimismus trotzdem, dass die Anpassung langfristig gelingen wird, aber vorher könnte es noch kräftig rumpeln. Ohne Wenn und Aber sagte Leef Dierks den Vereinigten Staaten für das kommende Jahr 2023 eine Rezession voraus. Die hat natürlich auch wieder politische Begleiterscheinungen, denn bereits für 2024 steht bereits wieder eine Präsidentenwahl an, von der heute keiner vorhersagen mag, wie die wohl ausgeht.
Im Original-Ton hören Sie ein Interview von Harald Denckmann mit Professor Leef H. Dierks (TH Lübeck) und Professor Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft.
Professor Jens Boysen-Hogrefe und Professor Leef H. Dierks diskutierten am Mittwochabend an der TH Lübeck über die Inflation. Fotos, O-Ton: Harald Denckmann
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Text-Nummer: 152262 Autor: Harald Denckmann vom 15.06.2022 um 21.07 Uhr