Günther: Neue Wege gegen Obdachlosigkeit

Schleswig-Holstein: Archiv - 02.01.2023, 15.38 Uhr: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) fordert in einem Exklusivinterview mit dem sozialen Straßenmagazin HEMPELS Politik, Ämter und Gesellschaft dazu auf, das Thema Obdachlosigkeit besonders in den Blick zu nehmen. "Unsere Gesellschaft funktioniert nur dann, wenn wir alle gemeinsam gegen Ausgrenzung und Diskriminierung vorgehen", so der Regierungschef in der jetzt erschienenen Januar-Ausgabe 2023.

Es sei beklemmend, dass es Armut und Obdachlosigkeit auch in einem wohlhabenden Land wie Schleswig-Holstein gebe. Die Diakonie Schleswig-Holstein geht von 11.000 wohnungslosen Menschen im nördlichsten Bundesland aus. Auch mit Blick auf das von der EU ausgegebene Ziel, bis 2030 in allen Mitgliedsstaaten die Obdachlosigkeit abzuschaffen, sei es für ihn "völlig klar, dass wir alles versuchen müssen, um dieses Problem zu minimieren. Wir haben eine Verpflichtung, das zu tun". Das gelinge jedoch nicht allein durch Maßnahmen eines Bundeslandes, man müsse das zusammen mit dem Bund hinbekommen. Günther: "Es muss unser aller Ziel sein, dass im nächsten Jahrzehnt niemand mehr obdachlos sein muss."

Der Ministerpräsident fordert in dem Interview die Kommunen des Landes auch dazu auf, alle Wohnungslosenangebote "diskriminierungsfrei allen Bevölkerungsgruppen zugutekommen" zu lassen. Alle müssten gleichbehandelt werden, es dürfe keine Ausgrenzung geben zwischen ortsansässigen Obdachlosen aus einer Kommune und anderen Schleswig-Holsteinern oder in Not geratenen Menschen wie EU-Ausländern, die sich dort aufhalten. "Ich halte es für wichtig, dass es so gehandhabt wird. Wenn wir Erkenntnisse haben, dass das anders gehandhabt wird, dann müssten wir da tätig werden", so Günther.

Zur Situation der aus armen EU-Ländern wie Rumänien eingewanderten Menschen, die auf der Suche nach Arbeit oft in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und schließlich obdachlos auf der Straße landen, erklärt Günther, das Ziel müsse sein, "dass diese Menschen eine eigene Wohnung haben. Aber zugleich müssen wir auch vernünftige Arbeitsmöglichkeiten schaffen". Von der Bundespolitik fordert Schleswig-Holsteins Regierungschef eine Verbesserung der Zuwanderungsregeln in den Arbeitsmarkt, aufenthaltsrechtliche Schwierigkeiten würden bislang häufig noch die Aufnahme von Arbeit verhindern. Günther: "Ich setze mich dafür ein, dass alle Bürgerinnen und Bürger, die hier in unserem Land dauerhaft leben, die Möglichkeit haben müssen, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen."

Ministerpräsident Günther ruft in dem Interview die Kommunen dazu auf, in der Wohnungslosenhilfe neue Wege zu beschreiten. Das Konzept Housing First (zuerst eine Wohnung), mit dem Finnland die Obdachlosigkeit praktisch abgeschafft hat, sei "ein guter Ansatz". Bislang gibt es in Schleswig-Holstein erst drei solcher Pilotprojekte – von den Städten Schleswig und Preetz sowie das Wohnhaus der HEMPELS-Stiftung in Kiel. Für die Städte insgesamt in Schleswig-Holstein gelte zum Thema Housing First aus seiner Sicht: "Es ist immer sinnvoll, sich in anderen Kommunen über die Umsetzung entsprechender Projekte zu informieren und sich darüber auszutauschen. Man kann immer voneinander lernen."

In dem Interview geht Ministerpräsident Günther angesichts durch die Decke schießender Mieten auch auf die Forderung nach einem Mietendeckel sowie einem Mietsicherungsfonds ein, um Mietschulden von Menschen zu begleichen, die sonst auf der Straße landen. Ein Mietsicherungsfonds könne "ein mögliches Instrument sein. Dieses überprüfen wir. Ich bin aber kein Fan von einer Mietpreisbremse und erst recht nicht von einem Mietendeckel, weil alle Erfahrungen zeigen, dass man damit die steigenden Mieten nicht in den Griff bekommt".

Das soziale Straßenmagazin HEMPELS erscheint in vielen Städten und Gemeinden Schleswig-Holsteins mit einer monatlich verkauften Auflage von 20.000 Heften. Angeboten wird das Magazin im Straßenverkauf von rund 220 Frauen und Männern, denen höchstens so viel Geld wie bisher Hartz IV beziehungsweise künftig der Bürgergeld-Satz zur Verfügung steht. Die Hälfte des Verkaufspreises von 2,50 Euro verbleibt bei ihnen. HEMPELS ist Hilfe zur Selbsthilfe.

Ministerpräsident Daniel Günther setzt sich für einen Mietsicherungsfonds ein, um Wohnungslosigkeit zu verhindern.

Ministerpräsident Daniel Günther setzt sich für einen Mietsicherungsfonds ein, um Wohnungslosigkeit zu verhindern.


Text-Nummer: 155902   Autor: Hempels   vom 02.01.2023 um 15.38 Uhr

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