Erbpacht sinkt in Lübeck auf zwei Prozent
Lübeck: Archiv - 31.03.2023, 15.17 Uhr: Vor sechs Jahren gab es Proteste vor dem Lübecker Rathaus. Der Grund war eine deutliche Erhöhung der Erbpacht. Vier Prozent vom Grundstückswert plus zehn Prozent Aufschlag verlangte die Stadt pro Jahr, wenn die Bewohner ihre Grundstücke weiter nutzen wollen. Jetzt ist der Kompromiss fertig und am späten Donnerstagabend von der Bürgerschaft beschlossen worden.Die Erbbau-Verträge laufen nach 100 Jahren aus. Wer sein Grundstück weiter nutzen möchte, muss tief in die Tasche greifen. Die Stadt verlangt vier Prozent Zinsen jährlich auf den vom Gutachterausschuss festgelegten Grundstückswert plus zehn Prozent. Für viele Hausbesitzer im Bereich Gärtnergasse, Dornbreite oder Karlshof ist das nicht finanzierbar. Jetzt hat die Bürgerschaft einen Kompromiss beschlossen. Streit gab es nur in einem Punkt. Die SPD forderte zusätzlich eine Klausel, dass in besonderen sozialen Härtefällen die Pacht weiter gesenkt werden kann. Das fand aber keine Mehrheit.
Der Bürgerschaftsbeschluss ist klar, ob er wirklich umgesetzt werden kann, bleibt aber offen. Die Kommunalaufsicht des Landes hatte schon im Diskussionsprozess darauf hingewiesen, dass sie ein Pachtzins von vier Prozent für angemessen hält.
Das Thema ist in Lübeck von besonderer Brisanz, denn Lübeck belegt bei der Zahl der Verträge einen Spitzenplatz in Deutschland. Vielen Lübeckern wurde mit der Maßnahme der Wunsch nach einem Eigenheim erst möglich.
Der Beschluss der Bürgerschaft
Verlängerung der Erbpacht
Soweit nicht im Einzelfall öffentliche Belange dagegen sprechen, ist den Erbbauberechtigten die Möglichkeit der Verlängerung des Erbbaurechts zu geben.
Die Laufzeit der Verlängerung kann vom Erbbauberechtigten zwischen 30 und 99 Jahren unter Berücksichtigung der Laufzeit der umgebenden Erbbaurechte gewählt werden.
Der Erbbauzins ist dinglich auf 2 % des Bodenwertes festzusetzen.
Der Bodenwert berechnet sich auf Grundlage der aktuellen Version der Bodenrichtwertkarte des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Hansestadt Lübeck.
Der Erbbauzins ist mit einer automatischen und dinglich gesicherten Wertsicherungsklausel (Bindung an den Verbraucherpreisindex VPI) zu versehen. Der indexierte Erbbauzins darf in den ersten 20 Jahren 4 % des Ausgangsbodenwertes nicht übersteigen, ab dem 21. Jahr erfolgt die Indexierung unbeschränkt. Bedingung der Anpassung des Erbbauzinses ist, dass der VPI mindestens um 10% gestiegen ist. Die erste Überprüfung findet 5 Jahre nach Vertragsschluss statt, danach jeweils frühestens 3 Jahre nach der letzten Anpassung.
Für Flächen, die über die Bezugsgröße 600 m2 hinausgehen und unbebaut sind (unrentierlicher Grundstücksanteil), ist der Erbbauzins schuldrechtlich um 50 % zu ermäßigen. Die Reduzierung entfällt, wenn das Erbbaurecht über die 600 m² hinaus bebaut wird oder für die Berechnung der baulichen Ausnutzung benötigt wird. Die Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn für einzelne Richtwertzonen andere Bezugsgrößen gelten.
Bei vorzeitiger Verlängerung des Erbbaurechts ab dem Zeitpunkt der Verlängerung wird der Erbbauzins schuldrechtlich auf einen Mischzins ermäßigt, der sich aus dem derzeit gezahlten Erbbauzins und einem Erbbauzins von 2 % des aktuellen Bodenrichtwertes unter Berücksichtigung der Restlaufzeit des bestehenden Erbbaurechts ergibt. Diese Mischzinsregelung gilt nur für Erbbauverträge mit einer Restlaufzeit von maximal 30 Jahren.
Für im Haus lebende und kindergeldberechtigte Kinder ist der Erbbauzins schuldrechtlich um jeweils 10 %, maximal um 30 % zu ermäßigen. Die Anspruchsberechtigung ist alle drei Jahre nachzuweisen.
Der Erbbauzins ist schuldrechtlich um 50 % zu ermäßigen, wenn der/die im Haus lebende Erbbauberechtigte mind. 20 Jahre Erbbauberechtige/r ist und die Einkommensgrenzen gem. §§ 20 – 24 in Verbindung mit § 9 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) erfüllt. Die Anspruchsberechtigung ist alle drei Jahre nachzuweisen.
Voraussetzung für die Ermäßigungen gem. Ziffer 7 und 8 ist, dass die auf dem Erbbaurecht gelegene Immobilie weder in Gänze noch in Teilen an Dritte vermietet ist bzw. vom Erbbauberechtigten ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt wird und die im Haus lebenden Familienmitglieder kein weiteres Immobilienvermögen besitzen.
Soweit nicht im Einzelfall öffentliche Belange dagegen sprechen, sind bei Verlängerung des Erbbaurechtes Nachverdichtungsmöglichkeiten zu prüfen. Die für das Erbbaurecht geltenden Konditionen sind auf die ggf. verringerte Grundstücksgröße anzuwenden.
Der schuldrechtlich ermäßigte Erbbauzins gem. Ziffer 5 – 8 (unrentierlicher Grundstücksanteil, Mischzins, Kinderrabatt, Wohnberechtigungsschein) darf nicht unter dem jetzigen Erbbauzins liegen.
Erbbauberechtigte, die bereits ein Verlängerungsangebot der Hansestadt zu den bisherigen Konditionen erhalten haben, können dieses noch innerhalb der bindenden Frist annehmen.
Ankauf des Grundstückes
Soweit nicht im Einzelfall öffentliche Belange dagegen sprechen, ist den Erbbauberechtigten die Möglichkeit des Ankaufes des Grundstückes zu geben.
Der Bodenwert berechnet sich auf Grundlage der aktuellen Version der Bodenrichtwertkarte des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Hansestadt Lübeck.
Der für über 1.000 m2 hinausgehende Flächen angesetzte Bodenwert ist abweichend vom Gutachterausschuss ggü. dem Referenzwert von 600 m2 um 50 % reduziert (bisher 85 %).
Der Bodenwert wird gem. der Geschäftsanweisung über die Transparenz bei Grundstücksverkäufen (Ziffer 5 – Preisbildung) um 10 % erhöht.
Für den Fall, dass unbebaute Grundstücksteile zu einem späteren Zeitpunkt bebaut werden, ist eine durch Bindung an den Verbraucherpreisindex VPI wertgesicherte Nachzahlungspflicht in Höhe der Differenz des Bodenrichtwertes nach Übergrößenberechnung und dem Bodenrichtwert ohne Übergrößenberechnung zu vereinbaren.
Der Hansestadt Lübeck ist ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle innerhalb von 10 Jahren einzuräumen.
Die Möglichkeit des Ankaufs durch den Erbbauberechtigten ist für 15 Jahre auszusetzen, nachdem
- das Erbbaurecht auf das Grundstück herausgegeben wird.
- das Erbbaurecht auf einen Dritten übertragen wird.
Die Möglichkeit des Ankaufs besteht ohne Einschränkungen bei Übertragungen an Ehe- und Lebenspartner, sofern der Erbbauvertrag mindestens 15 Jahre besteht und sie am Tag der Übertragung seit mindestens 15 Jahren am Erbbaugrundstück mit erstem Wohnsitz gemeldet sind.
Ausnahmen sind für Erbbaugrundstücke außerhalb Lübecks sowie in der Bürgerschaft zu begründenden Einzelfällen möglich.
Kaufinteressenten, die bereits ein Kaufangebot der Hansestadt zu den bisherigen Konditionen erhalten haben, können dieses noch innerhalb der bindenden Frist annehmen.
Nachverdichtung
Soweit nicht im Einzelfall öffentliche Belange dagegen sprechen und die planerische Möglichkeit besteht, ist den Erbbauberechtigten die Möglichkeit der Anpassung des Erbbaurechts zum Zwecke der Grundstücksteilung für Nachverdichtung zu geben. Die für den Ankauf geltenden Konditionen sind auf die verringerte Grundstücksgröße anzuwenden.
Das Erbbaurecht auf die abgetrennte Fläche endet und ist für Nachverdichtung im Erbbaurecht wieder herauszugeben.
Neu herausgegebene Erbbaurechte
Bei neu herausgegebenen Erbbaurechten sind die gleichen Konditionen wie für Verlängerungen anzuwenden.

Vor sechs Jahren forderten Erbbauberechtigte vor dem Rathaus bezahlbare Preise. Jetzt wurde ein Kompromiss gefunden.
Text-Nummer: 157723 Autor: VG vom 31.03.2023 um 15.17 Uhr