Lübecks Teufel hat eine Schraube locker
Lübeck - Innenstadt: Archiv - 21.06.2023, 19.00 Uhr: Vor St. Marien liegt ein großer Granitstein. Eigentlich sitzt darauf seit 1999 ein vom Künstler Rolf Goerler geschaffener Teufel. Der ist seit einigen Tagen verschwunden. Viele Passanten fragen sich, was passiert ist: Eine Teufelsaustreibung?"Der Teufel von Görler ist zur Zeit in Reparatur", erklärt Marien-Pastor Robert Pfeifer. "Er war ein wenig gelockert und wird nun vom Schlosser aufbereitet und neu befestigt. Er ist bald wieder da!" Dann kann er auch wieder bei den Hörnern gepackt werden. Das soll angeblich Glück bringen. Und er ist ein beliebtes Fotomotiv bei Touristen.
Warum sitzt der Teufel vor St. Marien?
Prof. Ernst Deecke hat bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Buch "Lübische Geschichten und Sagen" die Erzählung festgehalten.
Als die Stadt Lübeck Mitte des 13. Jahrhunderts von einer Feuersbrunst heimgesucht worden war, gingen die Bürger daran, auch die St. Marienkirche neu zu errichten. Groß sollte sie werden und modern, wie es in der Umgebung kein zweites Gotteshaus gab. Mächtig wuchsen die Mauern über die kleinen Häuser der Umgebung hinaus. Das machte vor allem Fremde neugierig. Selbst der Teufel erkundigte sich, was da entstehen solle. "Ein großes Wirtshaus", sagte der Baumeister und fügte hinzu: "Das muss schnell geschehen, weil die Lübecker nach dem Brand mächtigen Durst haben."
Das gefiel dem Teufel, denn aus Wirtshäusern und Schankstuben holte sich manche arme Seele. So half er den Bauleuten und schleppte selber die größten Steine herbei. Als die hohen Fenster entstanden, kamen dem Teufel dann doch Zweifel. So viel Licht pflegte man in Schankstuben nicht hineinzulassen. So fragte er ein Kind, was da gebaut würde. "Das weißt du nicht? Die neue Marienkirche", antwortete das Kind. Da wurde der Teufel so wütend, dass er einen riesigen Felsblock holte, um damit die halb fertige Kirche zu zertrümmern. Der Baumeister flehte ihn an, es nicht zu tun und versprach, gleich nebenan eine Weinstube zu bauen. Da warf der Teufel seinen Brocken neben die Kirche. Es entstand ein so großes Loch, dass man später nur noch Gewölbe für den Ratskeller darüber zu setzen brauchte.
Ein Stück des Felsblocks aber legten die Bauleute zur Erinnerung neben den Eingang der Kirche. Darauf sitzt bald wieder der freundliche Teufel.
Nur einige Granitsplitter erinnern an den Teufel vor St. Marien. Foto: H.L., Archivbild: JW
Text-Nummer: 159504 Autor: VG/TD vom 21.06.2023 um 19.00 Uhr