SHMF: Grandioser Mozart mit Liesicki
Lübeck - Innenstadt: Archiv - 21.07.2023, 12.38 Uhr: Das Programm, mit dem die Academy of St. Martin in the Fields in die MuK kam, klang bescheiden – und doch wurde dieses Konzert zu einem Höhepunkt des SHMF-Sommers 2023 in Lübeck. Er ist zu danken Tomo Keller, dem Leiter des 20köpfigen Ensembles, und dem Pianisten Jan Liesicki, der Mozarts erstes „vollgültiges“ Klavierkonzert zum Erlebnis machte.Die Academy war gegenüber den Zeiten ihres Gründers, Sir Neville Marriner, nicht mehr wiederzuerkennen. Tomo Keller, selbst ein exzellenter Violinist, hat sie als primus inter pares aus starrem Barock erlöst und zu beweglichem und bewegtem Musizieren geführt. Das war schon eingangs – in alter Manier stehend gespielt – in Michael Tippets „Fantasia Concertante on a Theme of Corelli“ zu vernehmen: Idylle mit Stimmungswechsel, vom baßgrundierten Wohlklang bis zum Violinengezwitscher durchdekliniert – mit Keller-Soli, die den Könner auswiesen.
Es folgte Mozarts frühes Juwel, die Sinfonie Nr. 29 A-Dur KV 201: So sensibel und durchsichtig das Allegro moderato, fein ausgekostet der Dialog der Streicher mit den vier Bläsern (Oboen und Hörnern) im Andante, das Menuetto geradezu eine Preziose mit feinsten Schattierungen, das Allegro wirklich ein Fortissimo „con spirito“ – alles mit einer Dynamik, die die Themen geradezu singen ließ. So gut, so schön hat der Rezensent sie selten vernommen.
Und auch nicht Mozarts Klavierkonzert Nr. 9 Es-Dur KV 271. Es hatte Hand und Fuß – und Kopf, mit dem Jan Liesicki die Academy in dem Blick nahm, um ihr Zeichen zu geben, wenn seine Hände ruhten. Der junge Bernstein Award-Preisträger von 2013 weiß um die ganz eigene Dynamik dieses Komponisten, bei dem alles so leicht klingt: Die Ausdrucksvielfalt des Allegro mit seinen Verzögerungen kam in dieser eingespielten kleinen Gemeinschaft zur Geltung – bis hin zur übermütigen Kadenz. Das Andantino in gelegentlichem Moll-Charakter und dezidiert gesetzten Trillern war bis zur hier grübelnden Kadenz bewegtes Erzählen. Im Rondeau mit seinem frohen Schwung setzte Liesicki der hohen Kunst des Mozart-Spiels die Krone auf. Dem Ereignis durfte als Zugabe vom Solisten nur ein ganz versonnener Chopin folgen.
Und hierauf noch ein Britten-Werk? Die Skeptiker überzeugte, wie dessen „Simple Symphony“ eben nicht simpel abgenudelt wurde. So nuanciert und dynamisiert, wie Tomo Keller und die Seinen dieses frühe Opus 4 von Benjamin Britten interpretierten, gewann es seinen Stellenwert zurück. Zumal das „Playful Pizzicato“ mit seiner Harfen-Passage war von seltener Präzision, die Sarabande dann bewegte Barock-Reminiszenz und das Prestissimo-Finale wieder so von dynamischem Eigenleben, das der Academy heute ihre Spitzenstellung im Musikbetrieb behaupten läßt. Das Publikum in der ausverkauften MuK war zurecht begeistert.

Einen grandiosen Mozart mit Liesicki konnten die Besucher des Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) in der Musik- und Kongresshalle (MUK) erleben. Foto: Archiv
Text-Nummer: 160171 Autor: GüZ vom 21.07.2023 um 12.38 Uhr