Neue Stromtrasse: Sorge um Waldflächen und Sichtachsen
Lübeck: Derzeit plant die Tennet die sogenannte „Elbe-Lübeck-Leitung“, eine neue Stromtrasse, die das Umspannwerk Stockelsdorf mit dem Standort Krümmel bei Geesthacht verbinden soll. Das Vorhaben wird entsprechend dem Stand der Technik für 380 kV Drehstromleitungen als Freileitungen mit Masthöhen mit mindestens 65 Metern Höhe konzipiert. Die Verwaltung ist in Sorge um betroffene Waldflächen und die Sichtachsen auf das UNESCO-Welterbe.Der Vorhabenträger Tennet wird am kommenden Donnerstag, 21. September 2023, die vorläufigen Planungen in Hamberge vorstellen. Nach Kenntnis der Hansestadt Lübeck soll die 380 kV Leitung parallel zu zwei bestehenden 110 kV Leitungen verlaufen und das Stadtgebiet im Bereich von Groß Steinrade und Niendorf kreuzen. Eine der bestehenden 110 kV Leitungen soll auf dem Mastgestänge der 380 kV Leitung mitgeführt werden. Der Einsatz von Erdkabeltechnik ist für das Vorhaben nicht vorgesehen, da die rechtliche Grundlage auf Bundesebene fehlt.
Zwar war die Hansestadt vorab in die Planung eingebunden, Anregungen und Bedarfe der Hansestadt Lübeck wurden aber bisher nicht gehört. Bürgermeister Jan Lindenau ist mit dem Vorgehen der Tennet so nicht einverstanden: „Grundsätzlich unterstützt die Hansestadt Lübeck die Zielsetzung, regenerativ erzeugten Strom zu verteilen, aber bei der Errichtung der nötigen Infrastruktur darf nicht über die Belange vor Ort hinweggegangen werden.“
Blick auf Lübecker Altstadtsilhouette würde erheblich gestört
Der aktuelle Vorzugskorridor der Tennet wird erhebliche Auswirkungen auf die Sichtachsen auf das UNESCO Welterbe „Lübecker Altstadt“ haben. Die UNESCO hat die Lübecker Altstadt aufgrund ihrer außergewöhnlichen universellen Bedeutung 1987 als Welterbe anerkannt. Die historische Silhouette der Lübecker Altstadt mit ihren sieben Türmen ist von zentraler Bedeutung für die Wahrnehmung und den Erhalt dieser einzigartigen Welterbestätte. Die Hansestadt Lübeck ist äußerst besorgt, dass die geplante 380 kV-Freileitung diese Sichtachsen erheblich beeinträchtigt und somit die visuelle Integrität des Welterbes empfindlich stört. Nach der Tennet soll keine Korridorvariante vertiefend geprüft werden, bei der es zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Sichtachsen kommt. Im Hinblick auf eine sachgerechte Abwägung ist aus Sicht des Bürgermeisters eine entsprechende Variante aufzunehmen und vertiefend zu untersuchen.
Stromtrasse statt Wald
Durch die von Tennet bevorzugte Variante im Lübecker Raum wird die geplante Neuwaldbildung im Raum Lübeck-Niendorf neben schon vorhandenen Stromleitungen der SH-Netzagentur noch einmal um etwa fünf Hektar auf Breiten bis zu 100 Metern durchschnitten. Da die neuen Trassen in West-Ost Richtung verlaufen, die bestehenden in Nord-Süd Richtung, bleibt von der ursprünglich geplanten Neuwaldbildung am Stück auf 50 Hektar nur noch ein Flickenteppich kleinerer Aufforstungen von etwa 35 Hektar mit verminderter klimatischer Wirkung übrig.
Daneben sollen bestehende Altwaldbereiche wie der Moorgartener Wald und die erst 15 Jahre alte Neuwaldfläche am Wald Lehmbeck komplett mit Schneisenbreiten von bis zu 100 Metern zertrennt werden. Hier soll Wald in der Größe von etwa 15 Hektar abgeholzt werden.
„Die von der Bürgerschaft mit breiter Mehrheit beschlossenen Aufforstungen sind ebenso wie die in den letzten Jahren als Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Umwelt vollzogenen Neubewaldungen ein wesentlicher Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels. Dass uns diese Instrumente nun aus der Hand geschlagen werden sollen, obwohl es offensichtlich schonendere Alternativrouten für die unbestreitbar wichtige Tennet-Leitung gibt, ist nicht hinnehmbar,“ argumentiert auch Umweltsenator Ludger Hinsen.
Die Wälder erfüllen für die Hansestadt Lübeck und die gesamte Region wichtige klimatische und ökologische Funktionen, dienen dem Schutz der Artenvielfalt, tragen zur Luftreinigung und dem allgemeinen Wohlbefinden aller Bürgerinnen und Bürger bei. Die Umsetzung der vorläufigen Vorzugsvariante würde zu einem erheblichen Verlust sowie zu einer Zerschneidung und Fragmentierung bestehender Waldflächen führen und die Erstaufforstung im Bereich Niendorf nahezu unmöglich machen.
Lübeck fordert alternative Trassenverläufe zu prüfen
Die Hansestadt Lübeck fordert daher die Tennet auf, die möglichen Auswirkungen auf das UNESCO-Welterbe Lübecker Altstadt sowie auf die Erstaufforstung und die bestehenden Waldflächen sorgfältig zu prüfen. Es ist von größter Bedeutung, dass zusätzliche Korridorvarianten in Betracht gezogen und vertiefend untersucht werden, um diese wertvollen Bereiche zu schützen und zu bewahren.
Informationsveranstaltung am 21. September 2023 in Hamberge
Um über den Trassenverlauf zu informieren, plant die Tennet im September mehrere Informationsveranstaltungen. Auch die Wahl der Veranstaltungsorte (Hamberge, Elmenhorst, Sandesneben) stößt in Lübeck nicht auf Begeisterung. „Auch die Wohnbevölkerung in Lübeck ist von der Leitung betroffen. Wenn die Leitung in nicht geringem Ausmaß durch Lübeck verläuft, dann darf auch gern eine Informationsveranstaltung hier für unsere Bürgerinnen und Bürger stattfinden. Bei der Suche nach Räumlichkeiten sind wir immer gern behilflich“, so Jan Lindenau. Die Infoveranstaltung in Hamberge findet am Donnerstag, 21. September 2023, 16:00 bis 20:00 Uhr in der Sporthalle Schulstraße 8a statt.

Die Hansestadt Lübeck fordert die Prüfung alternativer Verläufe der sogenannten „Elbe-Lübeck-Leitung“, damit Sichtachsen auf die Welterbe-Silhouette und Waldflächen nicht gefährdet werden. Foto: Archiv/HN
Text-Nummer: 161280 Autor: Presseamt/red. vom 19.09.2023 um 10.17 Uhr
Kommentare zu diesem Text:
Kai
schrieb am 19.09.2023 um 11.04 Uhr:
In dieser Pressemitteilung kann man schön in vielen Worten sehen, weshalb die Energiewende scheitert.
Es gibt ausreichend Strom aus Wind, Sonne und Wasserkraft. Es gibt aber genauso viele Leute, die immer gegen alles sind und immer Argumente finden, warum das zwar alles gebaut werden muss, aber bitte nicht hier.
Bitter.
Andreas
schrieb am 19.09.2023 um 11.54 Uhr:
genauso ist es Kai, nur nicht vor meiner Haustüre. So sehe ich das auch.
Wieviel Geld hätten wir alle schon sparen können, wenn diese Trassen schon in Betrieb wären und wir nicht für die Abregelung in SH bezahlen müssten.
"wichtige klimatische und ökologische Funktionen" sollen die Wälder haben. Das ist richtig. Aber das Brachflächen unter den Stromtrassen eine ebenso manigfaltige Artenvielfalt hervorrufen, interessiert kaum jemanden. Gerade die Wechselwirkung Wald, Brachfläche fördert Artenvielfalt.
Sichtachsen - Blödsinn. Wieviel hundert Leute im Jahr schauen sich die Sichtachsen denn an und wen interessiert es. Die einzige vernünftige Sichtachse ist die vom Groß Pariner Berg meiner Meinung.
Klimatisch haben wir in der Stadt nur Vorteile, wenn das Kleinklima verbessert wird. Altes Thema, Begrünung Koberg. Aber in der Stadt bekommt jeder Baum knappe 1-2 m² Baumscheibe und man wundert sich, dass der nicht wachsen will. Nein, der macht das Pflaster kaputt und, und, und.
Martin
schrieb am 19.09.2023 um 12.03 Uhr:
"Der Einsatz von Erdkabeltechnik ist für das Vorhaben nicht vorgesehen, da die rechtliche Grundlage auf Bundesebene fehlt."
Aha, unfähige Juristen auf allen Ebenen überall.
Selbst die mehrere hundert Kilometer lange Südlink Leitung, die Windstrom von der Küste in den Süden transportieren soll wird mittlerweile größtenteils unterirdisch verlegt.
Liegt es an der Jura Ausbildung an den Universitäten, der mangelnden technischen Ausstattung der Richter, Staatsanwaltschaften und Juristen in den Ämtern, Behörden, Verwaltungen? Hat man Probleme mit der Überregulierung? Muss jeder Einzelfall komplett neu bewertet und abgewogen werden?
In Wirtschaftsangelegenheiten, bei Baugenehmigungen, selbst bei Strafverfahren müsste es doch Programme geben in die man Rahmendaten eingibt und dann Lösungsvorschläge erhält. Rechtsunterstützung durch künstliche Intelligenz. Kaum ein Jurist kann heutzutage noch alle rechtlichen Vorschriften kennen. Künstliche Intelligenz kann das. Und damit den Menschen unterstützen.
Auch einfache Abwägungen kann eine richtig programmierte Intelligenz treffen. Besser als Menschen, die sich von Emotionen leiten lassen. Die Endabwägung trifft schließlich ja doch ein Mensch. Nur schneller. Und unter Berücksichtigung aller Vorschriften.
Im Bauwesen kann es so weit gehen, wie es eine Stadt in den USA bei der Zulassung von Photovoltaikanlagen vormacht: Zulassung nicht innerhalb von 2 oder 3 Jahren, sondern innerhalb von 45 Minuten!
JH
schrieb am 19.09.2023 um 12.04 Uhr:
@ Kai:
genau die gleichen Gedanken kamen mir bei dem Text auch....
Frei nach dem Motto: Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass
PEINLICH
Martin
schrieb am 19.09.2023 um 12.05 Uhr:
Man kann nur eins haben. Energiewende ODER Flächenschutz (bzw. Sichtachsen, bzw. Neuwald, bzw. Bewahrung des Landschaftsbildes etc. etc.)
Beides geht nun einmal nicht. Das hätte man aber alles vor der Wahl wissen können. Wenn die Mehrheit Rot/Grün wählt, dann darf es jetzt aber auch keine Beschwerde geben.
Daniel Pache
schrieb am 19.09.2023 um 13.59 Uhr:
Wo müsste ich denn stehen, damit die Sichtachse Richtung Lübeck durch eine Stromtrasse beeinträchtigt wird, die links vom Autobahnkreuz Lübeck vorbeiläuft? Kann mich nicht dran erinnern, aus der Richtung schonmal die Türme gesehen zu haben.
Oha
schrieb am 19.09.2023 um 14.26 Uhr:
Alle wollen Sie die Energiewende, aber Opfer bringen möchte niemand...und wenn dann solche Argumente wie verbaute Sichtachsen ins Spiel kommen fragt man sich, wie das große Ganze denn eigentlich noch gelingen soll?! Klar, eine Trasse quer durch die historische Altstadt will niemand, das steht außer Frage, aber etliche Kilometer davon entfernt muss nunmal das ein oder andere Opfer erbracht werden.
Martin
schrieb am 19.09.2023 um 17.52 Uhr:
@ Daniel Pache
Zu finden unter www.luebeck.de
Rathaus
Verwaltung
Stadtplanung und Bauordnung
Altstadt und UNESCO-Welterbe
UNESCO-Welterbe "Lübecker Altstadt"
Managementplan
Sichtachsenstudie
Prüfpunkt 20: K 75 südlich Voßkaten
Prüfpunkt 21: K 77 westlich Zarpen (Rehhorst)
Prüfpunkt 22: K 78 westlich Dahmsdorf
Prüfpunkt 23: K 111 Ratzbek
Prüfpunkt 24: Pöhlserwold
Prüfpunkt 25: L 71 südlich Reinsbek /Autobahnbrücke
Nur weil man zu sparsam ist Erdkabel zu verlegen und/oder sich nicht in der Lage sieht Verhandlungen mit Grundstückseigentümern aufzunehmen, soll also eine hässliche Riesenstromleitung in die Landschaft gesetzt werden?
Nicht dass ich gegen eine Stromleitung im Allgemeinen bin, aber nach der jahrelangen Planung hätte ich erwartet, dass diese Leitung verbuddelt wird.
alter Stadtbewohner
schrieb am 20.09.2023 um 09.54 Uhr:
Nur mal so ....zu dem Thema:
wozu wollen wir den Planeten retten, wenn wir die Menschheit auf dem selbigen krank machen bzw. zum sterben verurteilen. Also geht hier nur die Lösung des Erdkabels.
Wie weit sollte man von Strommasten entfernt wohnen?
Dafür gibt es eine ganz grobe Faustformel, nämlich 1 Meter je kV Spannung (bei den großen Masten sind das 380 kV, also 380 m Abstand). Das reicht unserer Erfahrung nach ziemlich sicher aus, um Magnetfeld-Belastungen auszuschließen. Oft reichen auch schon 50 bis 200 Meter – aber eben nicht immer.
(...)
Daniel Pache
schrieb am 20.09.2023 um 17.09 Uhr:
@Martin: Vielen Dank!