SHMF: Bruckner im 21. Jahrhundert
Lübeck: Archiv - 14.07.2024, 11.16 Uhr: Bei diesem Schleswig-Holstein Musik Festival gastierte das junge Festivalorchester gleich früh mit seinem ersten Programm in der MuK. Mit der ebenfalls jungen koreanisch-amerikanischen Dirigentin Holly Hyun Choe stellte sich ein großes Talent mit zwei Werken vor: „Vorspiel und Isoldes Liebestod“ aus „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner und der 3. Sinfonie von Anton Bruckner.In seiner launigen kurzen Begrüßung erklärte SHMF-Intendant Dr. Christian Kuhnt, was das Programm mit dem diesjährigen SHMF-Motto „Venedig“ zu tun hat: Ende der 1850er-Jahre vollendete Wagner den zweiten Akt seiner Oper „Tristan und Isolde“ in der Lagunenstadt, wo er 1883 starb – und Bruckner widmete seine „Dritte“ (erste Fassung 1874) dem verehrten Bayreuther Meister.
So vorbereitet, verfolgte das Auditorium das akustische Geschehen auf dem Podium. Das großbesetzte Orchester mit den Talenten aus Europa, Fernost und beiden Amerikas hatte Holly Hyun Choe mit klarer Zeichengebung stets im Griff – hier elegant weitausholend, dort mit kurzen Stabhinweisen. Das „Tristan“-Vorspiel lief recht verhalten an, die einzelnen Gruppen suchten die Balance. Beim Liebestod aber blühten die Celli auf, wogten die Emotionen, standen die Bläser-Akkorde einsam schön im Raum, löste sich der Klang in Verklärung auf.
Ohne Pause ging es zu Bruckner. Die 3. Sinfonie ist in ihrer 3. Fassung (1889) seine erste „vollgültige“ mit allen Alleinstellungsmerkmalen dieses Gottsuchers und -verklärers der Hochromantik. Holly Choe suchte den analytischen Ansatz und zügelte Bruckners Schweifen. So konnte sie im ersten Satz voll auf den Glanz der superben Blechbläser und die Wärme der Holzbläser setzen. Im Adagio mit dem warmen Streicherteppich arbeitete sie auf den großen Ausdruck hin – und die Wachen im Auditorium vernahmen das „Tristan“-Motiv.
Das Scherzo, quasi ein Ländler mit der Anweisung „ziemlich schnell“, stilisierte die Dirigentin zum lebhaften Walzer, um dann mit Vehemenz durch das finale Allegro zu steuern. Hier nun war Bruckner voll im 21. Jahrhundert angekommen, immer wieder atemlos rasant, sehr oft mit gewaltigem Fortissimo. Bewundernswert dabei anzusehen und anzuhören das Orchester, wie es Holly Choe folgte und zumal die Hörner mehr als alles geben mussten. Kein Wunder, dass bei einer so enormen Leistung ein Beifallsorkan ausbrach.
Das Festivalorchester bekam für das Konzert am Samstagabend viel Beifall. Foto: Sophia Hegewald
Text-Nummer: 167122 Autor: Güz. vom 14.07.2024 um 11.16 Uhr