Grüne erörtern schwierige Haushaltslage im Freibad

Lübeck - Innenstadt: Archiv - 19.07.2024, 09.47 Uhr: Katharina Dröge aus Köln, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag, hätte sich keinen schöneren Diskussionsort wünschen können als das Freibad am Krähenteich am Rande der Lübecker Innenstadt bei schönem Wetter. Diesen Sommertour-Stop für ihre prominente Parteifreundin hatten sich Mandy Siegenbrink und Axel Flasbarth von der Grünen Fraktion in der Lübecker Bürgerschaft erdacht.

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Die Gäste saßen in Liegestühlen und auf Getränkekästen und obwohl es in die Abendstunden ging, hatten selbst die Mücken ein Einsehen und stachen während der Veranstaltung nicht zu.

So locker sich alles anließ, so engagiert und interessant war nachher die Diskussion. Haushaltsfragen wurden besprochen und alle damit zusammenhängenden Themenkreise wurden dabei angerissen, und das Podium offenbarte sich dabei oftmals erstaunlich offen, besonders was den Wandel ehemals in Stein gemeißelter Positionen anging. "Freudig überrascht" zeigte sich Katharina Dröge, dass ihre Ampel Koalition überhaupt einen Haushalt zustande gebracht hat, natürlich nicht ohne eine gewisse Selbstironie aufscheinen zu lassen.

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Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende im Bundestag, freute sich über den angenehmen Termin im Freibad.

Immer wieder zog sich durch alle Ausführungen hindurch, dass eine Modernisierung der Schuldenbremse nach Auffassung des Podiums nicht zu verhindern sein wird. "Egal wer Bundeskanzler ist oder sein wird", die Schuldenbremse wird in dieser Form zukünftig nicht zu halten sein, denn sonst werden dringende Zukunftsinvestitionen nicht machbar sein, egal wie der Bundesregierung aussieht. Die Aufgaben, insbesondere was die veränderte Sicherheitslage angeht, sind einfach zu groß.

Als der Lübecker Bundestagsabgeordnete Bruno Hönel, der im Haushaltsausschuss jetzt mit überlegen muss, wie die Ukraine-Hilfe weiterhin finanziert werden kann, mit ehemaligen Wahlkampfaussagen konfrontiert wurde, war die Antwort klar und bestimmt. "Sie waren bei mir an der Haustür und haben sich vehement gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete ausgesprochen", wurde er erinnert. "Das stimmt", sagte Hönel, ich erinnere mich, aber nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine habe ich meine Position dazu geändert - und zwar drastisch, fügte er noch an.

Heiterkeit beim nächsten Punkt. Als die kritische Lage im Kitabereich erörtert wurde, marschierte plötzlich eine Ente mit Küken Richtung Podium, um die Diskussion genau mit zu verfolgen.

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Als es um die Kitas ging, mischte sich eine Entenmutti mit Küken ein.

Die Lage ist allerdings ernst, denn in den Kitas werden die Kinder meist nicht mehr gefördert, sondern nur noch mit letzter Kraft beaufsichtigt und verwaltet, beklagten anwesende Erzieher. "Wir haben die Inklusion immer begrüßt, fühlen uns aber von allen allein gelassen", hieß es. Die Probleme, die wir dadurch zu lösen haben, können wir bei der Personalausstattung einfach nicht mehr bewältigen. "Können wir unbürokratisch Hilfskräfte einstellen, beispielsweise Studierende", wurde gefragt. Ist das in den neu erdachten Hilfsprogrammen möglich? Denn das ist sinnvoll. Da wurde deutlich, dass so schnell nicht versprochen werden kann, dass etwas unbürokratisch einfach so geht. Die Politik hat das Problem erkannt, versucht mit allen Mitteln sinnvoll gegenzusteuern, viele Hilfspakete wurden aufgezählt, offenbar kommt aber nicht alles unten an, dort wo es brennt.

Bürgergeld war Thema im Zusammenhang mit dem Anreiz, Arbeit aufzunehmen. Steuervergünstigungen für Zuwanderer wurden in den Zusammenhang mit Wettbewerb um qualifizierte ausländische Fachkräfte gestellt und auf diese Weise etwas plausibler. Wie ist es denn aber mit der Anerkennung ausländischer Abschlüsse?, hieß es in der Folge. Auch hier ein Dickicht von Vorschriften, das schnelle Lösungen verhindert. Ein Unternehmer beklagte, dass er so viel an Steuern und Abgaben zahlen muss, dass er sich immer überlegt, ob er nicht lieber aufgibt, und ein Fragesteller führte aus, dass die selbstständigen Kleinunternehmer wie Künstler und Musiker offenbar durch viele Maschen fallen und deswegen große Probleme haben.

Warum knickt man vor den Bauern ein, wenn Entbürokratisierung für diesen Berufsstand nur heißt, dass Klima und Umweltstandards gesenkt werden und sie so weitermachen können wie bisher, wurde aus klassischer grüner Position kritisch nachgefragt.

Aus dieser Fragenpalette wird schon deutlich, dass es keine abschließenden Antworten geben konnte. Es wurde aber ehrlich und offen diskutiert und oft betont, dass der gesellschaftliche Konsens erhalten bleiben muss, manchmal auch mit Kompromissen, die weh tun.

Selbstkritisch wurde erörtert, dass die Ampel Regierung die Probleme von jungen Menschen nicht ernst genug nimmt. 800 Euro in Köln für ein WG-Zimmer sind zu viel, gab Katharina Dröge unumwunden zu. Das Leben muss für junge Leute bezahlbar bleiben und arm im Alter wollen junge Menschen auch nicht werden. In diese Richtung will man bei allen Schwierigkeiten weiter Politik machen und die Probleme junger Menschen stärker in den Fokus nehmen.

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Grüne aus Partei, Fraktion und Bundestag setzten abschließend gemeinsam Segel.

Am Ende bat Axel Flasbarth die Kollegin aus dem Bundestag noch um einen Rat. Harte Spardiskussionen stehen in Lübeck an, wie soll man da verhandeln, wenn einem an allen Ecken und Enden der Investitionsstau auf den Kopf fällt? Auch da gibt es keinen Königsweg, man muss aber die notwendigen Einschnitte klar benennen, für den Bürger muss absolut transparent sein, was es nicht mehr geben wird, damit er sich notfalls noch in die Diskussion einbringen kann.

Am Ende gab noch ein Teilnehmer zu bedenken, dass er jetzt zwar bessere Einblicke hat, es letztlich aber darum geht, die Wähler zu überzeugen. Da waren sich alle einig, das wird kein leichter Gang.

Hören Sie im Originalton Harald Denckmann im Gespräch mit Katharina Dröge.

Die Atmosphäre war entspannt und locker, die Diskussion engagiert. Fotos: Harald Denckmann

Die Atmosphäre war entspannt und locker, die Diskussion engagiert. Fotos: Harald Denckmann


Hier hören Sie den Originalton:

Text-Nummer: 167232   Autor: Harald Denckmann   vom 19.07.2024 um 09.47 Uhr

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