Soziologe: Rassistische Stereotype auf der Festmeile
Lübeck - Travemünde: Archiv - 27.07.2024, 16.11 Uhr: Am Wochenende geht die Travemünder Woche zu Ende. Ein beliebtes Ziel war das "Gipsy Village" auf der Strandpromenade. Es gibt aber auch Kritik. Mit dem "Zigeunerdorf", so die deutsche Übersetzung, würden rassistische Stereotype bedient."Der Begriff 'Gipsy' wird von vielen Rom*nja und Sinti*zze wie die Fremdbezeichnung Z. als abwertend und diskriminierend empfunden", so der Lübecker Soziologe Moritz Griepentrog. Der Sozialwissenschaftler beschäftigt sich mit einem Schwerpunkt auf Marginalisierung und Rassismus. "Zudem werden durch die Darstellungen von Essen, Tanzen und Wahrsagen stereotype Bilder perpetuiert, die historisch tief in antiziganistischen Vorurteilen verwurzelt sind. Darüber hinaus wird ein stereotypisches Bild der Kultur dieser Gruppen gezeichnet, indem es auf exotische und klischeehafte Elemente wie Wahrsagerei und bestimmte Musikstile reduziert wird. Solche Bilder ignorieren die Vielfalt und Realität der Lebenswelten der Menschen und tragen zu ihrer Marginalisierung bei."
Die Lübeck und Travemünde Marketing GmbH kann nachvollziehen, dass der Begriff "Gipsy" irritierend wirken könne. Sie weist den Vorwurf des Rassismus aber zurück. "Auch wir gehen ausgesprochen sensibel mit eventuell diskriminierenden Begrifflichkeiten um und vermeiden ausgrenzende und abwertende Formulierungen", so die Sprecherin Doris Schütz. "Wir haben in unserer Rolle als Kommunikatorin gemeinsam mit dem Veranstalter der Travemünder Woche im Vorwege sehr umfänglich mit dem Betreiber des Gipsy Village über die Bezeichnung 'Gipsy Village' diskutiert. Der Name wurde schließlich auf Wunsch des Betreibers ganz bewusst beibehalten. Denn für ihn und seine Familie ist der Begriff nicht negativ besetzt. Er steht – wie er uns versicherte - für seine tief empfundene eigene Identität und ein einzigartiges Gemeinschaftsgefühl und ist ein Ausdruck des Stolzes auf die eigene Kultur und Herkunft. Nach Rückversicherung über die 'Empowerment-Strategie' beim Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung (MSJFSIG) des Landes Schleswig-Holstein sind wir hier den Ausführungen des Betreibers gefolgt."
Der Soziologe Griepentrog sieht die Stadt in der Verantwortung: "Als Mitglied der Städteallianz gegen Rassismus hat Lübeck eine Verpflichtung, gegen jegliche Formen von Rassismus und Diskriminierung vorzugehen. Es ist von größter Bedeutung, dass die Veranstalter und die Stadtverwaltung Maßnahmen ergreifen, um solche diskriminierenden Darstellungen zu vermeiden und die Öffentlichkeit für diese sensiblen Themen zu sensibilisieren."
Rassistische Stereotype oder Ausdruck des Stolzes auf die eigene Kultur? Das Gipsy Village auf der Travemünder Woche sorgt für Diskussionen. Foto: Helge Normann
Text-Nummer: 167388 Autor: VG vom 27.07.2024 um 16.11 Uhr