Die Stunde, in der die Mächte der Komik wirklich übermächtig sind

Lübeck - Innenstadt: Der gelebte, gelesene Kriminalklassiker „Der Hund der Baskervilles 2.0“ (Wir berichteten) wurde im Garten des Willy-Brandt-Hauses begeistert aufgenommen. In einer Kooperation mit dem Theater Combinale zeigten „Benninghoven und Bonnin“ mit ihrem bewährten Team eine komisch-absurde Bearbeitung des Gruselklassikers aus der Feder Sir Arthur Conan Doyles.

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Seit fast 20 Jahren existiert dieses bewährte Format der gespielten Lesung nun. Den Anfang machte einst ein Jerry-Cotton-Groschenheftchen und nach einigen erfolgreichen Einblicken in die Welt der Trivialromane, vom Arzt- über den Adels- bis hin zum knisternden Liebesroman, widmet sich Autor und Regisseur Wolfgang Benninghoven nun dem Genre des Kriminalklassikers: Sherlock Holmes im Originaltext.

Nun gut, ehrlicherweise nur in Teilen, andere wiederum wurden in „einfacher Sprache“ oder gar pantomimisch umgesetzt, um den Seitenwust für die Bühne einzudampfen und zwei vergnügliche Stunden zu gestalten.

Denn obschon der berühmte Titel „The Hound of the Baskervilles“ Grusel verspricht, werden in dieser Bearbeitung statt der Mächte des Bösen doch eher die des Komischen übermächtig.

Die Hamburger Schauspielerin Andrea Gerhard und ihre Lübecker Kollegen Rodolphe Bonnin und Wolfgang Benninghoven sowie Musiker und Geräuschemacher Thomas Goralczyk springen von einer zur nächsten Rolle und geben somit 18 Figuren ihr ganz individuelles Gesicht. Dabei wird schnell mal ein Kamm unter die Nase gehalten, um den schnauzbärtigen Dr. Watson (Bonnin) kenntlich zu machen oder, die Zunge zwischen den Zähnen und mit weit aufgerissenen Augen, die lispelnde Cecile (sprich: ßäßill) gegeben (Gerhard), der der Dartmoor-Erbe Sir Henry Baskerville gnadenlos verfallen ist und dem Benninghoven mit eingezogener Oberlippe und umgedrehter Sherlock-Mütze eine einzigartige Physiognomie degenerierten Adels verleiht.

An diesem lohnenden Sherlock Holmes-Abend läuft einiges anders. Nicht nur, dass Sherlock und Holmes zwei Personen sind, dass das gruselige Jaulen der Bestie von Thomas Goralczyk (im Gewand eines der drei Tenöre) zu einem ärmlichen Wimmern mutiert, dass die Nebelmaschine das Moor, die Dampflokomotive, die Herrensauna und noch viele andere Spielorte verdeutlicht - hier wird dem Affen, sehr zur Freude des begeisterten Premierenpublikums, Zucker gegeben: Es wird Scharade gespielt, aus der Rolle gestiegen, improvisiert, parodiert und karikiert. Und bei allem Slapstick bleiben trotzdem der Krimiplot um den Familienfluch, die Ermittlungsarbeiten im grausigen Dartmoor und die doppelbödigen Strategien Holmes (und Sherlocks) erhalten.
In Benninghovens Inszenierung werden liebevoll die skurrilen Eigenschaften des Doyle’schen Personals extrahiert und somit auch ein Blick auf die seltsam verschrobene britische Gesellschaft um die vorletzte Jahrhundertwende möglich, in der Herrenclubs, Droschkenfahrten, Schmetterlingsjäger, verklemmt-verschmuste Gutserben und bärtige Butler ins Bild gehören. Wie bereits in anderen Romanbearbeitungen („Kleine Mutti“ oder „Komet der Leidenschaft“) gelingt dem Team auch hier wieder ein amüsanter Blick in eine (zum Glück) vergangene Zeit (Stichwort: Lammhack im Sack).

In diesen unterhaltsamen Kosmos kann man, bei hoffentlich besserem Wetter als im düsteren Moor, im Garten des Willy-Brandt-Hauses in der Königsstraße 30 eintauchen. Hier ist das Theater Combinale noch bis zum 1. September 2024 mit seiner Sommerbespielung zu Gast und lässt immer mittwochs, freitags, samstags und sonntags um 20:00 Uhr die jaulende „Bestie“ los. Mehr Infos und Karten über www.combinale.de und mit Glück an der Abendkasse.

Der gelebte, gelesene Kriminalklassiker „Der Hund der Baskervilles 2.0“ wurde im Garten des Willy-Brandt-Hauses begeistert aufgenommen. Fotos: Christoffer Greiss

Der gelebte, gelesene Kriminalklassiker „Der Hund der Baskervilles 2.0“ wurde im Garten des Willy-Brandt-Hauses begeistert aufgenommen. Fotos: Christoffer Greiss


Text-Nummer: 167733   Autor: Friedo Jany   vom 19.08.2024 um 14.31 Uhr

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