Operette begeistert im Großen Haus
Lübeck: Auf der einen Seite „Ich bin eine anständige Frau“, auf der anderen „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“: In diesem Spannungsfeld zwischen den Geschlechtern bewegt sich Franz Lehárs Erfolgsoperette „Die lustige Witwe“. Regisseur Bruno Klimik sagte sich, Romantik ist heute out – und setzt voll auf Bespaßung: Im Großen Haus lässt er es richtig krachen. Von diesem Auftakt der neuen Spielzeit war das Premierenpublikum begeistert.Die 120 Jahre alte Lehár-Lustbarkeit lässt sich kaum modernisieren: Ein Mini-Fürstentum Pontevidrini steht vor der Pleite, eine reiche Witwe soll es mit ihrem Geld sanieren. Für diese Hanna Glawari hat nun ein vertrottelter Baron Zeta den Grafen Danilo als Ehemann ausgeguckt: Diese Personen und weitere, um die sich hier alles dreht, sowie die Umstände der Verkuppelung bleiben Operettenwelt. Ihr will Klimek auf die Beine helfen, indem er stets Tempo macht und auch den Text selbst „aktualisiert“ hat. Das ist durchaus Geschmackssache.
Vor allem karikiert er die Männer, zieht sie pausenlos durch den Kakao und lässt sie den auch noch schlürfen. Höhepunkt ist der zweite Akt: In einem Waschsalon zieht Klimek ihnen nicht nur buchstäblich die Hosen runter und weist ihnen gar noch die Naivität eines Säuglings zu. Ob sie nun sauber werden – und ob der Regisseur dabei seine Hände in Unschuld wäscht –, entscheidet des Publikum...
Jedenfalls herrscht Tempo auf der von Jens Kilian zweckmäßig eingerichteten Bühne mit vielen Türen, die für schnelle Auftritte und Abgänge sorgen. Eine Idee macht den letzten Akt flott: Das „Maxim“, wo man ja sehr intim ist, kommt als mobile Bühne auf die Bühne. Und die Grisetten sind Männer, da bleibt Klimek in seinem Klamauk konsequent. Das Typen-Arsenal hat Yvonne Forster operettisch angezogen und Kati Heidebrecht vor allem den großen Chor – mit so manchen Sololeistungen – choreographisch in heftige Bewegung gebracht. Zufrieden sein dürfen Chordirektor Jan-Michael Krüger und Sören Sarbeck (Programmheft) mit ihrer Arbeit.
Das Lübecker Ensemble ist voll eingespannt. Steffen Kubach als Baron Zeta gibt den Trottel-Fels in der Brandung. Evmorfia Metaxaki als Hanna Glawari macht bella figura e voce mit der Vilja-Romanze – ebenso wie Erwin Belakowitsch (einziger Gast), der als Graf Danilo seine Routine mitbringt. Als „lustiges“ Paar Valencienne und Marquis de Rosillon setzen Andrea Stadel und Noah Schaul strahlende Höhen ein. In (gar nicht so) kleinen Rollen können Imke Looft, Yong-Ho Choi, Tomasz Mysliwiec und Thomas Stückermann ihrem Affen Zucker geben, den Klimek reichlich aus der Hosentasche holt.
Im Orchestergraben waltet GMD Stefan Vladar, als Wiener ja mit Franz Léhar aufgewachsen, voller Elan. Bei der Premiere lief noch nicht alles rund, Galopp und Cancan etwa gerieten zu geschwind. Und die Philharmoniker suchten nach der Sommerpause gelegentlich noch ihre Form. Das Premierenpublikum ließ es sich nicht verdrießen, feierte „sein“ Theater und freut sich nun auf eine interessante Saison.
Evmorfia Metaxaki überzeugte in der Rolle der Hanna Glawari. Fotos: Olaf Mazlzahn
Text-Nummer: 168126 Autor: Güz. vom 08.09.2024 um 15.24 Uhr