Raritäten im 2. Kammerkonzert
Lübeck - Innenstadt: Die Kammermusik-Reihe der Lübecker Philharmoniker ist die einzige verbliebene Konstante in der Hansestadt und hat sich immer mehr etabliert. Mit den drei Klangbilderkonzerten sind es inzwischen ein Dutzend Abende, an denen Philharmoniker in den verschiedensten Besetzungen die Musikszene bereichern – außerhalb ihrer Dienste in Musiktheatern und Konzerten, aus persönlichem Engagement.Das wird immer mehr gewürdigt: Im 2. Kammerkonzert war das Haus Eden fast bis auf den letzten Platz besetzt bei Streichquartett-Raritäten. Evelyne Saad, 1. Violine, und Sigrid Strehler, Violoncello, sind eingespielt seit preisgekrönter „Fidelio-Quartett“-Zeit vor zwanzig Jahren. Längst auch zählen Lucie Finckh (2. Violine) und Christian Jonkisch (Viola) zu den Stützen dieser Formation, die mit „In the Mountains“ von Ernest Bloch begann: Eine schlichte Melodie wandert durch „Dawn“, dann setzt jedes Instrument muntere Akzente in „Rustic Dance“ - ein Einspielwerk: interessant, gefällig und nicht sonderlich auf- bzw. anregend.
Die zweite Komposition des 20. Jahrhunderts, Erich Wolfgang Korngolds 2. Streichquartett, ist wesentlich anspruchsvoller: Verhaftet in der Wiener Spätromantik, gibt es hier Melodien, expressive Erzählungen und Dialoge – so gleich im Eingangssatz zwischen Saad und Strehler. Unter Saads energischer Führung zeigt sich einmal mehr, wie eingespielt diese Vier sind, was auch das Intermezzo hören lässt: Strehler walzert pizzicato, Finckh und Jonkisch variieren die von Saad eingeführte Melodie. Extrem dicht dann das ausgedehnte Larghetto mit den fahlen Flageoletts, technisch anspruchsvoll der abschließende Waltz mit seinen „benebelten“ Heurigen-Abschweifungen.
Zum Höhepunkt nach der Pause wurde Felix Mendelssohn Bartholdys 6. Streichquartett, sein letztes, voller Schmerz und Trauer. Mit wildem Tremolo und Vivace-Zerrissenheit meisterten die Vier den Auftakt, technisch souverän die Staccati – es war die beeindruckendste Leistung des Abends. Im Allegro assai war Finckh die Verbindungsfrau zu den tieferen Instrumenten, im Adagio – fern eines Sommernachtstraums – Jonkisch das grüblerische Moment, Strehler der immer wieder aufbegehrende Kontrapunkt zu Saads flehenden (ver)fliegenden Gedanken. Das Publikum war höchst beeindruckt und dankte auch Dramaturg Sören Sarbeck für seine wie stets kundigen kurzen Werkeinführungen.
Nächste Kammerkonzerte:
1. Klangbilderkonzert (Streichquartette), 4. 11., Haus Eden.
3. Kammerkonzert (Violine und Klavier), 5. 12. Haus Eden.
Evelyn Saad, Sigrid Strehler, Lucy Finckh und Christian Jonkisch beeindruckten das Publikum. Foto: Irina Stroh
Text-Nummer: 169067 Autor: Güz. vom 25.10.2024 um 14.28 Uhr