NDR-Konzert: Geballte Romantik
Lübeck: Archiv - 01.11.2024, 16.04 Uhr: In der Reihe der acht NDR-Konzerte in der MuK kommt inzwischen neben dem Elbphilharmonie Orchester auch zweimal die Radio-Philharmonie Hannover. Die bot bei ihrem ersten Saison-Auftritt unter ihrem neuen Chef Stanislav Kochanovsky geballte Romantik: Orchesterlieder von Hugo Wolf und Gustav Mahler sowie die Symphonie fantastique von Hector Berlioz.Es wurde ein Abend mit zwei Gesichtern, sprich: verschiedenen Wiedergaben. Vor der Pause sang Christian Gerhaher zunächst drei Goethe-Lieder (aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“) von Hugo Wolff mit seinem wunderbar durch die MuK strömenden Bariton. Vom Sinnen zur Klage in „Wer sich der Einsamkeit ergibt“ bis zum finalen Aufbegehren in „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“ war bereits hier Stimmkultur in Reinkultur zu erleben. Und Kochanovsky ließ ihn weich vom Orchester tragen.
Auch in vier Liedern aus Mahlers „Des Knaben Wunderhorn“ bannte Gerhaher die Zuhörer. Vor allem seine intensive Gestaltungskunst teilte sich mit. Vom wiegenden Rhythmus des „Rheinlegendchen“ an gestaltete er jedes Wort, jeden Ton mit seltener Ausdruckskraft und -sensibilität – hier in weichen Höhen, dort in klaren Tiefen. Kochanovsky und seine Hannoveraner trafen den Erzählton ebenso in „Wo die schönen Trompeten blasen“ und „Der Tamboursg'sell“, um dann im fahlen „Urlicht“ zu enden. Das Orchester korrespondierte mit allen Bariton-Schattierungen, der Dirigent hätte der Tragik noch ein Quäntchen mehr Dramatik geben dürfen.
Dem ersten Teil hatte Kochanovsky wohl alle Proben-Aufmerksamkeit gewidmet und Berlioz' Großwerk vernachlässigt. Denn was in der MuK als „Symphonie fantastique“ erklang, hatte höchstens die Qualität einer Generalprobe. Vom ersten bis zum letzten Satz machte der Dirigent Druck. Die Partitur fest im Blick, vermittelte er wenig von der Grundruhe, auf der sich die fünf phantastischen Szenen aufbauen. Das machte sich beim Streicher-dominierten Walzer (mit vier Harfen) ebenso bemerkbar wie beim langatmigen Beginn der Szene auf dem Lande und dem stocksteifen Gang zum Richtplatz, wo Pauken und dröhnendes Blech zur Hauptsache wurden. Derart unausgewogen und übersteuert, kommen weder Berlioz' Charme noch die Phantastik zur Geltung. Perfekt, wenngleich noch rasanter als in der Partitur vorgesehen, dann die Stretta des Hexensabbats: Das fetzt ungemein, wie der Jubel danach erkennen ließ.
Das NDR-Konzert in der MuK bestand aus qualitativ unterschiedlichen Teilen.
Text-Nummer: 169177 Autor: Güz. vom 01.11.2024 um 16.04 Uhr