Straßenbahn: Die Angst vor dem wankelmütigen Bürger
Lübeck: Archiv - 05.11.2024, 14.57 Uhr: Mit kleinen Reimen und großen Plakaten demonstrierte am Montag das „Aktionsbündnis Straßenbahn“ vor dem Verwaltungszentrum Mühlentor. Die Kundgebung richtete sich an Politiker des Bauausschusses, die sich über das Straßenbahn-Gutachten informieren ließen. Dabei scheint das größere Problem gar nicht der politische Wille, sondern die Sorge vor dem Wankelmut der Bürger zu sein. Die Stadt fürchtet, die Bürger könnten ein einmal begonnenes Projekt per Petition wieder kippen.
Vor dem Verwaltungszentrum sprach sich das Aktionsbündnis lautstark für eine Straßenbahn aus.
Der Sitzungssaal im siebten Obergeschoss des „Haus Trave“ war ungewöhnlich gut besucht, die Plätze reichten nicht für alle Zuhörer. Die meisten waren gekommen, um sich die Vorstellung des Straßenbahn-Gutachtens anzuschauen. Das wurde auf 17 Folien recht ausführlich vorgestellt: Ein Netz aus vier Linien ist demnach für Lübeck angedacht. Damit wäre es mit etwa 31 Kilometer Streckenlänge etwas kleiner als das von Kiel (36 Kilometer).
Wie kommt die Bahn durch die Altstadt?
Ein Kernthema war laut Gutachter die Frage: "Wie komme ich durch die Altstadt?" Ergebnis: Es gehen nicht alle Strecken, aber es ist auch nicht so, dass gar keine moderne Stadtbahn möglich wäre. Was nicht machbar ist, sind Oberleitungen für den Strom, so wie es in alten Zeiten war. Die Gutachter empfahlen daher eine Stadtbahn wie es sie in Luxemburg gibt: Mit kleineren Batterien auf dem Dach, die während der Haltestellenzeit nachgeladen werden. Ein weiteres Problem sind die Brücken: "Unserer Meinung nach tragen die Brücken nicht", hieß es. Allerdings, und das ließ manchen Politiker aufhorchen, seien hohe Fördergelder für Sanierung oder Neubau möglich. Etwas eng wird es in der Wahmstraße. Dort soll es nur eine Trasse geben, so dass noch genug Platz übrigbleibt. Entgegenkommende Bahnen müssen dann allerdings jeweils warten.
Auch das Umland muss mitziehen
Das Thema Straßenbahn zog sich über einen Großteil der Sitzungszeit, denn die Politiker hatten viel Fragen. So ging es etwa darum, dass drei der acht angedachten Endhaltestellen gar nicht auf Lübecker Stadtgebiet liegen würden. Die Gutachter verwiesen darauf, dass es sich bei ihrem Auftrag um eine Potenzialanalyse handle, da blieben dann einige bauliche Detailfragen offen. Im Umland mit Bad Schwartau und Stockelsdorf sei das Gutachten aber vorgestellt worden, dort sei man erstmal offen dafür. Ohne die beiden Gemeinden würde das Netz aber wahrscheinlich schlechter, hieß es.
Sorge, dass Bürger das Projekt wieder kippen
Bekanntlich will die Verwaltung die Straßenbahn-Pläne nicht weiter verfolgen. Eine Frage aus dem Bauausschuss lautete, was denn die Gründe gegen eine vertiefte Machbarkeitsstudie seien. Man sehe, dass in anderen Städten ein langer Prozess angestoßen werde mit anfänglicher Begeisterung, hieß es dazu. Kurz vor der Umsetzung würden die Projekte dann aber per Bürgerentscheid wieder gestoppt. „Das ist eher die Regel als die Ausnahme“, sagte ein Vertreter der Verwaltung. Und es sei eine „ungeheure Ressourcenverschwendung“. Diese Sorge vor einem späten Bürgerentscheid sei das Hauptargument, die Pläne nicht weiter zu verfolgen. Als Beispiele für ein spätes Scheitern per Bürgerentscheid wurden unter anderem Wiesbaden und Regensburg genannt.
So geht es weiter
Für eine fundierte Entscheidung müsste die Politik nun noch einmal eine Nutzen-Kosten-Analyse in Auftrag geben. Der Bauausschuss vertagte jedoch erst einmal das Thema auf die nächste Sitzung. Es wird dann ja auch noch im Hauptausschuss und schließlich in der Lübecker Bürgerschaft behandelt. Deutlich weiter ist schon Kiel, wo viel Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt gemacht wird. Dort soll das Kernnetz der Stadtbahn im Jahr 2034 in Betrieb genommen werden.
Eine Stadtbahn wäre machbar, aber würden die Bürger mitziehen? Am Montag wurde das Gutachten im Bauausschuss vorgestellt. Fotos: Helge Normann
Text-Nummer: 169221 Autor: Helge Normann vom 05.11.2024 um 14.57 Uhr