IHK-Talkgäste fordern zu mehr Kooperation zwischen Deutschland und Polen auf

Lübeck: Deutschland und Polen sind geborene Partner. Allerdings gibt es noch großes Potenzial in der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft. „Unser Polen-Bild ist veraltet. Unser Nachbarland kopiert nicht mehr alles aus Deutschland. Unsere polnischen Mitarbeiter und Partner bringen viele wichtige Impulse in unsere Arbeit ein“, sagte Jochen Brüggen, geschäftsführender Gesellschafter des Nahrungsmittelherstellers H. und J. Brüggen KG in Lübeck und Vicepräses der IHK zu Lübeck.

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Moderator Professor Dr. Arno Probst, Magdalena Czapek, Jens Klotmann und Dr. Magdalena Ławicka

In einer Diskussion in der IHK-Reihe „Fokus Wirtschaft“ in Kooperation mit dem Haus Hansestadt Danzig in Lübeck berichtete Brüggen über seine Erfahrungen und Chancen in der Zusammenarbeit beider Länder. Gemeinsam mit polnischen und deutschen Talkgästen rief er dazu auf, nach der Überwindung der „Eiszeit“ zwischen beiden Regierungen die Chancen für einen Neuanfang in den Beziehungen zu nutzen.

In der von Professor Dr. Thomas Straubhaar, international renommierter Wirtschaftsexperte, und Professor Dr. Arno Probst, Deloitte GmbH, moderierten Runde betonte Jens Klotmann, Geschäftsführer der Julius Koch GmbH in Malente: „Polen ist perfekt für uns. Große Unterschiede zwischen der Arbeit in beiden Ländern gibt es nicht.“ Sein Unternehmen, ein auf die Herstellung technischer Textilien spezialisierter Hidden Champion, habe die Produktion wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine nach Polen verlegen müssen. Die Erfahrungen seien durchweg positiv, die Polen seien in vielen Angelegenheiten flexibel und ermöglichen Vorhaben der Wirtschaft. Zudem sei das Nachbarland ein guter Standort für Forschung und Entwicklung.

Gerade die Wissenschaft biete große Chancen zur Intensivierung der Beziehungen und zur Stärkung des gemeinsamen Standorts, stellte Professor Dr. Marcin Grzegorzek KI-Experte am Institut für Medizinische Informatik der Universität zu Lübeck, heraus. Er selbst sei als Student nach Deutschland gekommen und bewege sich nun in beiden Ländern. Die wissenschaftlichen Strukturen seien ähnlich, in Polen gebe es beispielsweise ein Pendant zur Fraunhofer Gesellschaft. Die Politik beider Länder stelle umfangreiche Mittel zur Verfügung, sollte jetzt aber vor allem grenzüberschreitende Kooperationen und Konsortien fördern. „Wir müssen mehr gemeinsam anpacken“, sagte er.

Auch in der Wirtschaft funktioniere die Zusammenarbeit gut. Brüggen blicke auf bereits mehr als drei Jahrzehnte währende enge Kooperation zurück. Das Unternehmen gehörte zu den ersten, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine Produktion in Polen aufbauten. Mittlerweile nutzten Unternehmen in Deutschland und weltweit polnische Software-Lösungen, betonten Magdalena Czapek, Finanzchefin der polnischen 3Soft S.A., und Dr. Magdalena Ławicka, Geschäftsführerin von Klaster ICT mit Sitz in Stettin. Magdalena Czapek stellte ebenfalls heraus, wie groß die Potenziale einer engeren Zusammenarbeit sind. Wichtig dafür seien Vertrauen und das Kennenlernen der Nachbarn. „Netzwerktreffen wie dieses sind dafür von großer Bedeutung.“ Brüggen warb daher für eine Teilnahme der polnischen Gäste am IT4B Digital Summit am 2. Juli 2025 in Lübeck, der größten Veranstaltung mit Messe und Vorträgen zu IT-Themen in Schleswig-Holstein.

Moderator Arno Probst sieht gerade hier große Chancen für eine weitere Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft beider Länder. „Es ist beeindruckend und überraschend, dass viele deutsche Unternehmen digitale Lösungen und KI-Anwendungen aus Polen beziehen.“

Sein Co-Moderator Thomas Straubhaar rief ebenfalls zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit auf. „Polen ist unser Nachbar. Mit wem sollten wir enger kooperieren als mit unserem Nachbar?“, fragte er. Diese Intensivierung sei vor allem aufgrund der großen Veränderungen der geopolitischen Rahmenbedingungen erforderlich, ergänzte der Experte. Die alte Ordnung der bipolaren Welt in der Nachkriegszeit existiere nicht mehr. Diese habe die europäischen Industriestaaten groß werden lassen, aber neben den USA und dem neuen Pol China, erscheine Europa klein. Er befürchte, dass sich beide Großmächte künftig noch weniger für europäische Belange interessieren würden. Straubhaar: „Daher müssen wir Europa als einen eigenen Pol installieren. Und dafür ist die Kooperation zwischen Deutschland und Polen von großer Bedeutung.“

Professor Dr. Marcin Grzegorzek, Jochen Brüggen und Moderator Professor Dr. Thomas Straubhaar beim IHK-Talk. Fotos: Anders Björk

Professor Dr. Marcin Grzegorzek, Jochen Brüggen und Moderator Professor Dr. Thomas Straubhaar beim IHK-Talk. Fotos: Anders Björk


Text-Nummer: 169601   Autor: IHK/red.   vom 22.11.2024 um 14.31 Uhr

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