SHMF-Konzert als Inszenierung

Die jungen Musici aus zehn Ländern rund um die Ostsee betraten langsam und Akkorde summend die Bühne, nahmen ihre Positionen ein, aber nicht Platz (nur die Celli saßen), und stimmten die „Nussknacker-Suite“ an. Dezent schwarzbehost und -behemdet, einige Violinistinnen in dunkelrotem oder -grünem Kleid, bildet dieses Orchester optisch eine eigenwillige Einheit. Järvi trug das Seidenhemd über der Hose und gab beidhändig Zeichen: Er brauchte lediglich zu taktieren und koordinieren. Denn alle spielen auswendig. Das ist das Prinzip dieses Orchesters.

So haben sie denn „Nutcracker Reimagined“ drauf, können sich die Violinen einmal einander zuwenden oder Bläser auch gemächlich die Positionen wechseln, drei sogar vom Orchesterrang herunterposaunen. Hier wird Musizieren also visualisiert. Und lenkt nicht selten von den Noten ab. Aber Järvi geht es offenbar um eine Form des Erlebens, wozu sich die von ihm gewählten „bildhaften“ Kompositionen eignen. Da wird’s mal psychedelisch, da ziehen Klangwolken vorüber, ein Schwanengesang von Arvo Pärt ist dabei, Vögel zwitschern, Edward Elgars Nimrod stapft und immer wieder knackt Tschaikowsky feine Nüsse. Mit Auftakt und pompösem Finale von Griegs Klavierkonzert zwischendurch ist die litauische Pianistin Gabriele Bekeryte unterbeschäftigt.

Das Publikum war begeistert und applaudierte lauthals lange. Einige alte Zuhörer waren schnell draußen. Sie hatten wohl andere Erwartungen gehabt. Und die könnte die Baltic Sea Philharmonic-Jugend, dieses hervorragende engagierte Orchester, demnächst einmal mit einem echten ernsten Programm hier in der MuK einlösen.

Das SHMF-Weihnachtskonzert sah nun das „Baltic Sea Philharmonic“ (Orchestra) auf der Bühne der fast vollbesetzten MuK. Foto: Archiv

Text-Nummer: 169817   Autor: Güz   vom 03.12.2024 um 14.03 Uhr