Nördliche Wallhalbinsel startet durch: Realisierung soll 2025 beginnen

Lübeck - Innenstadt: Archiv - 16.12.2024, 10.17 Uhr: Die Hansestadt Lübeck hat jetzt die historischen Hafenschuppen A bis D und F sowie zwei Neubaufelder auf der Nördlichen Wallhalbinsel an die Projektbeteiligten veräußert. Die Aufgabe der Erschließung der neu vermessenen Grundstücke wurde auf die eigens als Vorhabenträgerin gegründete Projektgesellschaft PIH Entwicklungs- und Erschließungsgesellschaft mbH und Co. KG übertragen, die aus sämtlichen Projektbeteiligten besteht, ein Novum in dieser Größenordnung.

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Planung Schuppen F. Visualisierung: Modersohn und Freiesleben Architekten.

Gleichfalls wurde das Erbbaurechtsverhältnis für den Strandsalon wirksam, welches dessen Fortbestand und Weiterentwicklung für die nächsten 40 Jahre sichert. Im Frühjahr 2025 werden die Grundstücke und Baufelder an die einzelnen Beteiligten als neue Eigentümer übergeben, bald danach können erste Erschließungs-, Sanierungs- und Neubaumaßnahmen beginnen.

Die acht Grundstückskaufverträge ermöglichen die Umsetzung der seit 2011 von der Initiative Hafenschuppen der Bürgerinitiative Rettet Lübeck (BIRL) e.V. betriebenen behutsamen Quartiersentwicklung unter weitestgehender Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange und des UNESCO-Weltkulturerbe-Status der Lübecker Altstadt. Über eine eigens gegründete Arbeitsgruppe (Projektgruppe Initiative Hafenschuppen — PIH) waren die konzeptionellen Grundlagen erarbeitet und publiziert worden, 2012 das WHIN-Konzept und 2015 das PIH-Konzept, welches in der Lübecker Bürgerschaft im Jahr 2016 mit großer Mehrheit zur Umsetzung beschlossen wurde. Es folgte ein Verhandlungsmarathon über die Anhandgabe der Nördlichen Wallhalbinsel zur Absicherung der Entwicklung, der allein 14 Monate währte und in ein Bebauungsplanverfahren mündete, welches angesichts der Komplexität des Entwicklungsvorhabens innerhalb von viereinhalb Jahren zielorientiert zum Abschluss gebracht werden konnte.

In vielerlei Hinsicht wurde planungsrechtliches Neuland betreten: Es mussten diverse gewerbliche und nicht-gewerbliche Nutzungen des PIH-Konzeptes baurechtlich verankert und zugleich die Schutzbedürfnisse der zukünftig hier lebenden und arbeitenden Menschen berücksichtigt werden. Erstmals in Lübeck sah der Aufstellungsbeschluss des Bauausschusses ein sogenanntes „Urbanes Gebiet“ (MU) vor, eine zu diesem Zeitpunkt noch neue Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung. Das Urbane Gebiet gibt keiner Nutzungsart einen Vorzug; vielmehr dient es allgemein sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben, aber auch mit erheblichem Publikumsverkehr verbundenen sozialen und kulturellen Einrichtungen, welche die Wohnnutzung nicht wesentlich stören.

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Hotel-Entwurf. Visualisierung: Sauerbruch Hutton

Erst diese neue Gebietskategorie ermöglichte es, die vorhandenen kulturellen und gewerblichen Einrichtungen im Plangebiet zu halten und gleichfalls Nutzungen zu ermöglichen, die im ehemaligen Hafen an der Altstadt neu hinzukommen:

- Fortgeführt und weiterentwickelt wird der Strandsalon auf der Nordspitze. Der Erbbauberechtigte erhält die Möglichkeit, die bisher provisorisch errichteten Gebäude durch solide Neubauten zu ersetzen und erhält hierfür Planungs- und Investitionssicherheit.

- Die Werfthalle im nördlichen Teil von Schuppen D, genutzt von der Gesellschaft Weltkulturgut Hansestadt Lübeck, Erbauerin und Betreiberin des nach historischem Vorbild konstruierten Hanseschiffs „Lisa von Lübeck“, wird weiterbestehen. Dieser Teil des Gebäudes wird von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz übernommen und von der Jugendbauhütte Lübeck saniert und ausgebaut werden. Neben den Werkstätten werden dann auch Wohn- und Sozialräume für die Angehörigen der Jugendbauhütte untergebracht sein. Die südliche Halle von Schuppen D wird zukünftig der Kreativwirtschaft und Jugendarbeit dienen und von einer Baugemeinschaft saniert und ausgebaut werden.

- Schuppen B und F werden ebenfalls durch Baugemeinschaften saniert und teils zu Wohnzwecken umgebaut werden. Schuppen B wird dabei primär dem Wohnen dienen. Am Südgiebel wird zur gastronomischen Bespielung des Platzes zwischen den Schuppen A und B und zur Quartiersversorgung ein Café eingerichtet werden. Die Entwicklung erfolgt nach dem Haus-im-Haus-Prinzip: Innerhalb der restaurierten historischen Außenhülle entsteht ein behutsam eingefügter Neubau, der die neuen Nutzungen aufnimmt.

- Schuppen F erhält zur Hälfte gewerbliche Nutzungen beziehungsweise Mischnutzungen aus Wohnen und Gewerbe. Im Mittelteil, in dem ein langer Obergaden einen Ausbau auf zwei Ebenen ermöglicht, entstehen Wohnungen in unterschiedlichen Größen. Im nördlichen, zum Strandsalon hin gelegenen Viertel des Gebäudes wird ein Coworking-Space nebst Fabrication Laboratory bzw. Maker Space entstehen. Dadurch bleibt eine größere Teilfläche in seiner ursprünglichen architektonischen Erscheinung für die Öffentlichkeit auch von innen erlebbar.

- Der umlaufende Kaimauerring und die Wasserflächen des Wall- und Hansahafens verbleiben in der Verwaltung der Lübeck Port Authority — ebenso die Freifläche vis-a-vis des Nordgiebels von Schuppen F am Behnkai. Eine solche Widmung ermöglicht der Gesellschaft Weltkulturgut, auf dieser Freifläche auch in Zukunft ein neues Holzschiff zu bauen. Ebenso können hier auch Bauprojekte der Jugendbauhütte fortgeführt werden, soweit im Bebauungsplan festgelegte Schallkontingente eingehalten werden. Die angrenzenden Wasserflächen im Hansahafen dienen den historischen Schiffen des Museumshafens als Liegeplätze. Die Wasserflächen südlich davon bis hin zur Drehbrücke sowie diejenigen am Kulenkampkai im Wallhafen werden überwiegend Sportbooten als Liegeplätzte dienen.

- Der Schuppen C, seit über 10 Jahren bekannt als Konzert- und Veranstaltungshaus des Fördervereins Kunst am Kai e.V., soll in diesem Sinne und in seiner wesentlichen Nutzung fortgeführt und nach Bedarf weiterentwickelt werden. Schuppen C ist wie Schuppen D und der Strandsalon von den sonst vorgesehenen Sanierungs- und Bauverpflichtungen innerhalb konkreter Fristen ausgenommen. Dadurch werden vorhandene wie zukünftig vorgesehene soziale und kulturelle wie kreativwirtschaftliche Nutzungen nicht gefährdet, sondern können in den Grenzen ihrer Belastbarkeit nach Bedarf weiterentwickelt werden.

- Im Schuppen A am Wallhafen werden 143 kleine Wohnungen entstehen, darunter 64 geförderte Apartments für Studierende der Lübecker Hochschulen und Jugendliche in Ausbildung. Sollte das Land in den Jahren 2025 / 2026 keine soziale Wohnraumförderung bereitstellen können, werden stattdessen 100 ungeförderte frei finanzierte, jedoch preisgebundene Wohnheimplätze für Studierende geschaffen werden. Im Rahmen einer Mischkalkulation unterstützt das Gesamtprojekt den Wohnungsbau im Schuppen A, der von der alpha projektentwicklung gmbh aus Bad Schwartau umgesetzt werden wird.

- Im südlichen Eingangsbereich der Nördlichen Wallhalbinsel entstehen zwei das Ensemble der historischen Hafenanlagen ergänzende Neubauten. Die hierfür erforderlichen Baufelder wurden mit Hilfe eines städtebaulichen und freiraumplanerischen Gutachterverfahren definiert: Zwischen Drehbrückenhaus und dem großen Lagerhaus der Kaufmannschaft, den heutigen Media Docks, wird die Überseeinsel GmbH aus Bremen ein dreigeschossiges, sich in den Verlauf der historischen Gleise einfügendes Hotel errichten. Ein ursprünglich als Medienhaus für einen Zeitungsverlag geplantes Bürogebäude auf einem früheren Stapelplatz am Wallhafen südlich von Schuppen A wird nunmehr von der Sparkasse zu Lübeck errichtet werden, die hier ihre Verwaltung unterbringen wird.

- Damit die schützenswerten Belange der zukünftig auf der Nördlichen Wallhalbinsel und in angrenzenden Wohngebieten lebenden und arbeitenden Menschen beachtet werden, wurde für bisherige und zukünftige Nutzungen eine umfangreiche schalltechnische Untersuchung durchgeführt. Der Betrieb des Schuppens C als Konzerthaus, des Strandsalons mit seinen Veranstaltungen unter freiem Himmel, der Werkstätten und Bauplätze der Gesellschaft Weltkulturgut und der Jugendbauhütte konnten über Kontingentierungen und räumliche Abgrenzungen zu den Wohnnutzungen sowie für bestimmte Vorhaben über Anforderungen an schalltechnische Ertüchtigungen planungsrechtlich gesichert werden.

- Die öffentlichen Anlagen — die innere Erschließungsachse und die Plätze zwischen den Schuppen A, B, C und D sowie im südlichen Eingangsbereich — werden mit ihren historischen Oberflächen aus Großsteinpflaster und den Gleisen der ehemaligen Hafenbahn behutsam neugestaltet: Fahrbahnen und Fuß- und Radwege werden durch Rinnensteine und geschnittene Pflasterungen kenntlich gemacht. Auf dem Gleiskörper entlang der Gebäuderampen vor den Hafenschuppen können bis zu 14 historische Eisenbahnwaggons aufgestellt werden – zum Beispiel offene Niederbord- oder Rungenwagen als Treppenpodeste vor den Rampen von Schuppen B und C oder geschlossene Güterwagen zur Unterbringung von Fahrrädern oder zur Einrichtung von Verkaufsständen. Die Platzflächen werden nach dem Rückbau der Hallen zwischen Schuppen B und C und C und D mit wassergebundenen Oberflächen und Baumgruppen gestaltet. Der neu entstehende Platz zwischen Schuppen C und D dient zukünftig auch dem geplanten Brückenschlag zur Roddenkoppel, wenn das Projekt Lübeck Nord-West in die Umsetzung gelangt.

Damit findet ein über 13 Jahre dauernder, in dieser Form wohl bundesweit einmaliger Stadtentwicklungsprozess seinen vorläufigen Abschluss. Mit der Veröffentlichung der ersten Machbarkeitsstudie und Konzeptskizze der Initiative Hafenschuppen im Mai 2012 wurde dieser Prozess aus der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft angestoßen und unter großer Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit bis zur Umsetzungsreife geführt.

Die auf die Betreuung von Baugemeinschaften und Beteiligungsprozesse spezialisierte Lübecker Projektentwicklungsgesellschaft Conplan übernahm im Jahr 2014 die Aufgabe, die bisherigen Projektbeteiligten in den Verhandlungen mit der Stadt und im weiteren Entwicklungsprozess professionell zu begleiten und für die kleinteiligen Nutzungen in den Schuppen B, D und F die Baugemeinschaften zusammenzuführen.

Heute sind über 100 Personen und Institutionen Teil dieser großen Entwicklungsgemeinschaft. Sie haben das Gesamtvorhaben wie die jeweiligen Einzelvorhaben in den vergangenen Jahren eng begleitet und aktiv mitgestaltet. Die diesem Entwicklungsprinzip innewohnende Stärke zeigt sich nicht nur in der Beharrlichkeit, über mehr als 13 Jahre eine Projektentwicklung voranzutreiben und dafür gemeinschaftlich insgesamt mehr als 6 Millionen Euro zu investieren, sondern auch in der Krisenresilienz. Trotz der Multi-Krisen-Situation der letzten Jahre gelangt dieses 125 Millionen Euro beanspruchende Projekt nun in die Umsetzung, was unter den aktuell erschwerten Rahmenbedingungen keine Selbstverständlichkeit ist.

Mit dem Übergang des Eigentums an den fünf historischen Hafenschuppen und der beiden Neubaufelder im Plangebiet werden im kommenden Jahr die Erschließungs-, Sanierungs- und Neubautätigkeiten beginnen können. Etwas 36.000 m² Geschossfläche ergeben etwa 27.000 m² Wohn- und Nutzfläche für über 200 Wohneinheiten und die oben aufgeführten, vielfältigen Nutzungen. Die Schuppen A, B und F werden voraussichtlich im Jahr 2027 fertiggestellt und bezugsfertig sein. Für den Neubau von Hotel- und Bürogebäude ist mit ersten Maßnahmen auch im Jahr 2025 zu rechnen, sodass die Gesamtfertigstellung inklusive Erschließung nach drei bis maximal vier Jahren erreicht werden kann. Schuppen C, D und der Strandsalon werden hiervon unabhängig im Bestand beziehungsweise im laufenden Betrieb entwickelt werden und unmittelbar nach Eigentumsübergang mit Renovierungs- und Umbaumaßnahmen beginnen können.

Die Initiatoren des Projekts, die Mitwirkenden in der Bürgerinitiative Rettet Lübeck BIRL e.V. und ihrer Arbeitsgruppe Initiative Hafenschuppen, sowie alle an dem Gesamtprojekt bis heute Beteiligten sind dankbar für die anhaltend große und vielseitige Unterstützung durch die Öffentlichkeit, die politischen Fraktionen in der Lübecker Bürgerschaft und die politischen Parteien, die an das Projekt einer behutsamen Entwicklung des alten Hafenareals geglaubt und es immer wieder befördert haben, durch die Bau- und Liegenschaftsverwaltung sowie durch die vielen Spender - allen voran die Possehl-Stiftung, welche der Initiative Hafenschuppen bereits in früher Zeit ermöglicht haben, Planungsleistungen zum Beispiel für die Erschließung des Plangebiets zu beauftragen und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit in Form von Publikationen und Ausstellungen zu betreiben.

Die Kaufverträge für die Nördliche Wallhalbinsel sind unterzeichnet. Foto: Christoffer Greiß

Die Kaufverträge für die Nördliche Wallhalbinsel sind unterzeichnet. Foto: Christoffer Greiß


Text-Nummer: 170062   Autor: PIH/red.   vom 16.12.2024 um 10.17 Uhr

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