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NDR-Konzert: Phänomenaler Violinist

Lübeck: In der letzten Saison waren die NDR-Elbphilharmoniker-Konzerte hier nicht berauschend. Nun jedoch bringen sie erstrangige Interpreten mit absoluten Highlights. Bot Jacques-Yves Thibaudet im Dezember das 5. Klavierkonzert von Saint-Saens, spielte nun Vadim Gluzman (zu Beginn seiner großen Karriere mehrmals Solist bei den Lübecker Philharmonikern) das 2. Violinkonzert von Schostakowitsch – beides Werke der allerhöchsten Ansprüche.

Vor sechs Wochen stand mit Marek Janowski ein Grandsigneur am NDR-Pult, nun stellte sich mit James Gaffigan ein Hamburg-Neuling vor. Der 45-jährige New Yorker ist Chef der Komischen Oper Berlin und zugleich des Palau des Arts in Valencia. Seine musiktheatralische Grunderfahrung kam den reinen Sinfonikern wie auch dem Auditorium zugute. Denn Gaffigan setzte Leiden und Leidenschaft dieses Programms in eine bisher kaum so erfahrene Beziehung. Zum Auftakt vermittelte er in Mussorgskis „Chowanschtschina“-Ouvertüre nur vermeintlich eine Idylle, der Solo-Oboist Paulus van der Merwe unergründliche Verlorenheit mit auf den Weg gab.

Warum Schostakowitsch 2. Violinkonzert so selten aufgeführt wird, erfuhr in der MuK das (leider nicht sehr zahlreiche) Publikum: Beim wohl schwermütigsten Werk seiner Gattung hatte Vadim Gluzman die Noten vor sich – und davon gibt es in diesen 35 Minuten unendlich viele mit den allerhöchsten Schwierigkeitsgraden. Konzentrierte Hochspannung also auf der Bühne wie im Auditorium. Es wurde zum außerordentlichen Erlebnis, wie Gluzman mit dem und gegen das Orchester kämpfte, wie er Sarkasmus formulierte und sich immer wieder Klage und Trauer artikulierten. Über Gaffigans Ein- und Umsicht, mit der er das Orchester eine aus den Fugen geratende Welt „illustrieren“ ließ, überließ er vor allem dem Solisten das „Erklären“: Voll kräftezehrender Körperspannung mündete der Parforce-Ritt in einer Kadenz der wirklich allerhöchsten Schwierigkeiten. Auf den großen Applaus des Publikums hin hauchte Gluzman mit der „Serenade“ von Walentin Sylwestrow, dem Doyen der ukrainischen Komponisten, einen sensiblen Abgesang.

Was kann man darauf (nach der Pause) noch bieten? Gaffigan hatte sich für Haydns f-Moll-Sinfonie HoB 1:49 entschieden – für Leidenschaft ebenso wie Trauer mit barocken Bezügen in kleiner Besetzung: Seufzer und beredte Klage, die aber nicht unglücklich machten, weil die meisterhaften Crescendi immer wieder optimistisch stimmen. Und wo andere Dirigenten mit Beethovens „Egmont“-Ouvertüre ein Programm aufstürmend beginnen, setzte Gaffigan als Ausdrucks-Könner mit klarer Wucht ganz auf die positive Seite dieser Komposition – mit einem famosen Horn-Quartett unter Führung von Claudia Strenkert – und nuancierte sie bis zum lebensbejahenden Fortissimo. Auch die Elbphilharmoniker bedankten sich für diese Führung und boten eine ihrer besten Leistungen seit Jahren.

Die NDR-Elbphilharmoniker begeisterten in der Lübecker MuK.

Die NDR-Elbphilharmoniker begeisterten in der Lübecker MuK.


Text-Nummer: 170622   Autor: Güz.   vom 25.01.2025 um 15.04 Uhr

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