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Tristan-Premiere: Mythos voller Wucht

Lübeck: Richard Wagner war einer der wichtigsten Komponisten. Die Qualität seiner Musikdramen ist unbestritten, ihre Faszination ungebrochen. Regelmäßig stehen sie auf dem Programm der guten Opernhäuser. (Sein preisgekrönter Lübecker „Ring des Nibelungen“, Brogli-Sacher/Pilavachi 2011, ist immer noch auf DVD erhältlich.) Nun hat sich GMD Stefan Vladar eines anderen Wagner-Highlights angenommen: „Tristan und Isolde“ wurde bei der Premiere frenetisch gefeiert.

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Das Große Haus war ausverkauft, das Publikum meist festlich gekleidet: Klassische Musik ist wieder Anlass, sich auch äußerlich auf das Besondere einzustellen. Dieses Musikdrama in drei Akten zählt zum Besonderen. Gut fünf Stunden Dauer (inklusive zwei längere Pausen) für eine Handlung, die lapidar in einem Satz erzählt ist: Eine Braut erwartet Brautwerber, sie verlieben sich spontan dank eines Zaubertranks, ein Freund des ältlichen Bräutigams nimmt messerscharfe Rache und die Braut mit, der verlassene Werber siecht dahin, der Bräutigam verzeiht – aber zu spät...

Wagner faszinierte dieser Mythos aus grauer Vorzeit um Liebe und Ehre. Sein Text ist ebenso Lichtjahre von uns entfernt. Seine Musik aber trifft mitten ins Herz bei all denen, die es noch öffnen können für Schönheit und deren Gefühle nicht unter dem Trash der Gegenwart vergraben sind. So ist „Tristan“ auch immer eine ganz besondere Herausforderung nicht nur für das Publikum, sondern für die Interpreten wie für die Gestalter. Hier nun haben zwei Meister ihres Fachs – Regisseur Stephen Lawless und Ausstatter Frank Philipp Schlößmann – höchst plausible Lösungen gefunden, um dem Irrealen eine Anschaulichkeit zu geben.

Durch Heck und Boden des bühnenhohen stahlgrauen Lebensschiffs geht ein Riss – ergo durch die Gesellschaft und die Gefühle. Die eisige Außenwelt ist erreichbar über eine steile Treppe zum Oberdeck, wo durch drei Bullaugen gelegentlich Kunde von draußen gegeben wird. Wohnlich ist hier nichts, abgesehen von zwei bedeckten großen Chaisen und einem Reisekofferschrank. Grau und mattes Blau bestimmen auch die Kostüme. Alles wird durch diffuses Licht (Falk Hampel) zum einen schwer, zum anderen transparent.

Zwischen den drei himmelstürmenden Liebe-Szenen lastet die Ewigkeit, durch die Lawless die Schritte ausgemessen hat. Dabei tun Rang und Namen nichts zur Sache, denn hier agieren Menschen. Isolde und Brangäne sind Freundinnen, ebenso Tristan und Kurwenal. Wie Tristan über den Graben zu Isolde und somit über seinen Schatten springt, den berühmten Tristan-Akkord vorbereitend, ist eine sich tief einprägende Szene – ebenso wie Kurwenal in Männerfreundschaft den sterbenden Tristan umarmt hält.

Hierzu gehört ein kleines Ensemble, das ebenso sängerisch wie darstellerisch das Drama plausibel machen kann. Allen voran Lena Kutzner in ihrem Rollendebüt als Isolde mit jugendlichem Ungestüm und herrlich frei strömenden Sopran-Höhen. Das absolute Glücksgefühl im Duett (2. Akt) „Sink hernieder, Nacht der Liebe“ prägt sich nachhaltig ein, da auch Ric Furman seine Tristan-Spitzentöne so eindeutig und sicher setzt, dass der Rausch nicht nur Kennern ins Ohr und Gemüt geht. Marlene Lichtenberg gibt der sich sorgenden Brangäne Kontur, berührt mit warmem Mezzo und großer Skala. Lange nicht durfte Steffen Kubach seinen schönen Bariton so entfalten wie hier als agiler und dann mitfühlender Kurwenal. Leider verhinderte eine akute Indisposition Runi Brattaberg, seinem Bass als verzeihender König Marke Gewicht zu geben. Seine Bühnenpräsenz unterstrich Noah Schaul in Kurzauftritten als Melot, junger Hirt und Seemann. Für Viktor Aksentijevic (Steuermann) und den Chor (Einstudierung Jan-Michael Krüger) hatte Wagner nur Momentaufnahmen.

Dessen orchestraler Gefühlswelt hat sich nun Stefan Vladar verpflichtet. Der Generalsmusikdirektor nahm diesen Mythos voller Wucht mit überwiegendem Breitwandformat als Herausforderung an, um ihm bei der Premiere mit zügigen und auch überaus lautstarken Passagen zu begegnen. Das bekam dem Klang nicht immer. Unter den angestrengt reagierenden Philharmonikern verlor er an Transparenz, wurde dick, forderte das Liebespaar zu besonderer Höchstleistung. Lena Kuzner zollte dem Tribut: Das finale „Still und leise, wie er lächelt“ brauchte die letzten Reserven.

Am Ende jubelte das Publikum, darunter manch angereiste Wagnerianer, und feierte alle Mitwirkenden. Nächste Vorstellung; Sonntag, 16. Februar, 17 Uhr.

Bei der Premiere im Theater Lübeck jubelte das Publikum. Fotos: Jochen Quast

Bei der Premiere im Theater Lübeck jubelte das Publikum. Fotos: Jochen Quast


Text-Nummer: 170803   Autor: Güz.   vom 03.02.2025 um 18.16 Uhr

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