Gipfeltreffen: Häfen dürfen nicht abgeschnitten werden

Lübeck: Auf der ersten Bahnkonferenz Schleswig-Holstein in Lübeck suchten Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Deutsche Bahn Alternativen und Perspektiven für das Bahn-Land Schleswig-Holstein. Lübecks IHK-Präses Hagen Goldbeck warnte vor einem Stillstand durch die geplanten Gleissperrungen.

Die Bahnstrecken Lübeck-Hamburg und Kiel-Hamburg sind schon jetzt mehr als ausgelastet und sanierungsbedürftig. Spätestens mit der Fertigstellung des Fehmarnbelt-Tunnels 2029 droht die Überlastung. Bund und Deutsche Bahn investieren in das Schienennetz, die geplanten monatelangen Vollsperrungen der Hauptverbindungen könnten aber die Unternehmen hart treffen. Rund 100 Vertreter von Unternehmen, Politik und Verwaltung waren der Einladung von IHK Schleswig-Holstein, Gesamtverband Schleswig-Holsteinischer Häfen e.V. (GvSH) und Logistik-Initiative Schleswig-Holstein gefolgt. Hagen Goldbeck, Präsident der Landesarbeitsgemeinschaft IHK Schleswig-Holstein, wertete das große Interesse als Erfolg.

„Wenn wir nicht handeln, sind die Häfen vom Schienenverkehr abgeschnitten und droht uns der Stillstand“, sagte Goldbeck mit Blick auf die geplanten Vollsperrungen. Bei allem Verständnis für die notwendigen Sanierungen und Ausbauarbeiten, fragen nicht nur die Häfen, ob so viele Vollsperrungen nötig sind? „Hinzu kommt, dass es auch einige Sperrungen schon im Vorfeld der Großprojekte geben muss, um Umleitungswege zu ertüchtigen. Jetzt scheint es sich zu rächen, dass kaum Umleitungsstrecken zum Beispiel durch Reaktivierungen von stillgelegten Strecken und Bypässe vorhanden sind.“ Der Präsident forderte daher, jetzt mit der Suche nach Alternativen zu beginnen, damit die Häfen weiterarbeiten können. Deren Rolle habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. „Die Systemrelevanz der Häfen zeigt sich heute mehr denn je – über den Güterumschlag hinaus tragen sie zur Versorgungssicherheit mit Waren und Energie bei“, sagte GvSH-Vorstandsvorsitzender Frank Schnabel. Damit die Häfen funktionieren, bedürfe es leistungsfähiger Bahnanbindungen. Schnabel appellierte daher an Politik und Deutsche Bahn, die Bedeutung der Häfen für das ganze Land zu erkennen.

Auch Professor Dr. Sebastian Jürgens, Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (LHG) und Vizepräsident des Zentralverbands der Seehäfen, betonte die Dimension Schleswig-Holsteins aus europäischer Sicht: Das nördlichste Bundesland liege zentral zwischen Mitteleuropa und Skandinavien und erfülle wichtige Aufgaben für den Güterverkehr. Er forderte Investitionen in das Schienennetz, denn dieses sei zurzeit das schlechteste in den deutschen Bundesländern.

Im Hinblick auf die Finanzierung in die Schieneninfrastruktur liegt Schleswig-Holstein aus Sicht von Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen noch „in der Peripherie“. Der Bahn-Konzern habe bisher sehr viel in die Beseitigung von Engpässen in Ballungsgebieten in Deutschland investiert. Er erwarte daher die Sanierung und den Ausbau der Netzinfrastruktur im Norden. „Wir sind ein Bahn-Land, das heißt aber nicht, dass alles zu unserer Zufriedenheit funktioniert“, sagte er. Der Ausbau sei aber nicht allein eine Frage der Finanzierung. Vor allem die Planung dauere zu lange, zehn bis 15 Jahre seien nicht akzeptabel. Zudem gebe es immer wieder Verzögerungen durch Einsprüche von Projektgegnern. Die Regierungsbildung im Bund sieht er als Chance, im politischen Berlin für Schleswig-Holstein zu werben.

Die Botschaften richteten sich in der Konferenz vor allem an Dr. Philipp Nagl, Vorstandsvorsitzender der DB InfraGO AG. „Wir müssen alles tun, um die Infrastruktur zu verbessern“, sagte er einleitend. Immerhin habe der Konzern bundesweit einen Erfolg zu vermelden: Erstmals seit zwei Jahrzehnten gebe es keine Verschlechterung der Schienen-Infrastruktur. Der Konzern habe im Kampf gegen den Verfall Fortschritte erzielt und belegt: „Es geht!“ Er stellte heraus, dass die Bahn die Erfahrungen anderer Großprojekte zur besseren Koordination der Baustellen nutzen wolle. Zudem sagte er zu, den Zeitplan zur Fertigstellung der Bahnanbindung an die feste Fehmarnbelt-Querung einzuhalten und gleichzeitig mit den Dänen im September 2029 fertig werden zu wollen.

Railcoach vereinbart

Das Land Schleswig-Holstein, die IHK Schleswig-Holstein sowie die Logistikinitiative Schleswig-Holstein werden in einem gemeinsamen Projekt eine neutrale Beratungs- und Anlaufstelle für den Schienengüterverkehr etablieren: den „Railcoach SH“. Ein erster Schritt auf dem Weg zu diesem Vorhaben ist jetzt mit der Fertigstellung einer vorgelagerten Studie abgeschlossen.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen, IHK-Präsident Hagen Goldbeck, und Holger Matzen, Vorsitzender der Logistikinitiative, präsentierten die Ergebnisse und den weiteren Fahrplan heute am Rande der ersten Bahnkonferenz Schleswig-Holstein in Lübeck. „Die Verlagerung von Lkw-Transporten auf die Schiene wird – wo immer wirtschaftlich sinnvoll – zunehmend wichtiger für den Klimaschutz sowie die Entlastung des Straßennetzes und die Milderung des Berufskraftfahrermangels“, sagte Minister Madsen. Allerdings bliebe das volle Potenzial des schienengebundenen Verkehrs häufig ungenutzt. „Dies liegt unter anderem an der Komplexität des ‚Systems Schiene‘ und der starken Fokussierung auf den Straßentransport in manchen Unternehmen.“

Für die Studie befragten die Projektpartner zahlreiche Unternehmen im Land. Zudem werteten sie frühere Studien sowie Erkenntnisse aus Referenzprojekten in anderen Bundesländern aus. „Die Ergebnisse sind durchaus vielversprechend: Sie belegen, dass in Schleswig-Holstein aktuell großes Potenzial für weitere Verlagerungen besteht, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen und sind ausreichend transparent“, betonte Goldbeck. Ein zentrales Ergebnis der Studie sei die Empfehlung, einen „Railcoach“ einzurichten, der als Vernetzer zwischen verladenden Unternehmen, Eisenbahnverkehrsunternehmen und weiteren Stakeholdern fungiert. Goldbeck: „Der Schienencoach soll die Anlaufstelle für alle Fragen rund um die Güterverlagerung sein.“

Aufgrund der bestehenden Konzentration von Verlademöglichkeiten in Schleswig-Holstein auf wenige, dafür gut ausgebaute Umschlagplätze, empfiehlt die Studie zunächst eine Fokussierung der Tätigkeit des Railcoaches auf diese existierenden Umschlagmöglichkeiten. „Für eine nachhaltige Umstellung auf die Schiene gehört mittelfristig auch die Reaktivierung von Gleisanschlüssen zu den Aufgaben“, erläuterte Matzen. „Der Railcoach soll als zentrale Anlauf- und anbieterneutrale Beratungsstelle Erstinformationen über Antragswege von Gleisanschlüssen und konkrete Orientierung im Förderdschungel bieten.“ Darüber hinaus sei der Aufbau von Netzwerken geplant.

Die Studie bietet aus Sicht der Projektpartner eine fundierte Grundlage für die zukünftige Entwicklung des Schienengüterverkehrs in Schleswig-Holstein und zeigt konkrete Verlagerungspotenziale auf, deren Realisierung die Etablierung eines Railcoaches maßgeblich verbessern kann. Schienengüterverkehrsberater sind bereits in anderen Bundesländern erfolgreich im Einsatz.

Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Deutsche Bahn suchten nach Alternativen und Perspektive für das Bahn-Land Schleswig-Holstein. Foto:IHK/ Jan Philipp Witt

Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Deutsche Bahn suchten nach Alternativen und Perspektive für das Bahn-Land Schleswig-Holstein. Foto:IHK/ Jan Philipp Witt


Text-Nummer: 171400   Autor: IHK/red.   vom 04.03.2025 um 18.31 Uhr

Text teilen: auf facebook +++ auf X (Twitter) +++ über WhatsApp

Text ausdrucken. +++  Text ohne Bilder ausdrucken.


Please enable / Bitte aktiviere JavaScript!
Veuillez activer / Por favor activa el Javascript![ ? ]