Oper hautnah: Der Zaubertrank

Lübeck: Archiv - 16.03.2025, 14.36 Uhr: Was für einen spannenden und klugen Spielplan Lübecks Oper in dieser Saison bietet, zeigt auch „Der Zaubertrank“ von Frank Martin: Nach Richard Wagners Großwerk „Tristan und Isolde“ im Großen Haus kommt dasselbe Thema nun in komprimierter Form. Und: Musiktheater ist hier einmal hautnah in den Kammerspielen zu erleben. Das Premierenpublikum war gebannt und begeistert.

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Ende der 1930er Jahre schrieb der Schweizer Frank Martin ein harmonisches weltliches Oratorium für einen Madrigalchor. Später wurde es szenisch umgesetzt, weil so die große und tragische Liebe von Isot und Tristan im fernen Cornwall viel eindringlicher erfahrbar wird. Was mit Charakteren geschieht, die jeweils aus einem Chor heraustreten, ist ursprünglicher und direkter als bei Wagner – auch durch ein zwölfköpfiges Ensemble und lediglich sieben Streicher, die der Dirigent am Klavier oft akkordisch unterstützt.

Das Septett passt gerade in den meist verborgenen Mini-Orchestergraben der Kammerspiele, ist sichtbar wie auch der Dirigent: Nathan Bas ist Einsatz-freudig und hält mit dezidierter Zeichengebung das Geschehen zusammen. Und hier passiert in neunzig Minuten mehr als bei Wagner in vier Stunden; vor allem auch dank Jennifer Toelstede: Die Regisseurin „belebt“ den so kleinen Raum durch eine Choreographie der Auf- und Abgänge und erzählt von Menschen, die sich oft fernbleiben, obwohl sie doch die Nähe suchen. Das ist, bei aller Distanz zu- und untereinander, so voller Gefühle, die Frank Martin immer wieder zwischen den Notenlinien versteckt – und die herauszuhören sich alle Mitwirkenden mit großer Hingabe verpflichten. Wo alles Leben eng zu werden scheint, weitet Ausstatterin Iris Braun den Raum mit billdmächtigen Requisiten und impulsiven Videos von Cornwalls Küste bis zum Seelenleben: Sie beflügelt die Phantasie ebenso wie das Jennifer Toelstede mit detailreicher Personenführung gelingt (und Daniel Thulkes Beleuchtung).

Die Hauptprotagonisten sind auch bei Frank Martin das Liebespaar sowie König Marke und Brangäne. Dabei fällt Tristan der stärkere Part zu: Noah Schaul bringt hier eine intensive Leistung, wobei seine Spitzentöne auf baritonalem Fundament bauen. Evmorfia Metaxaki ist souverän und kann als Isot (die Blonde) ganz ihrem klaren Sopran vertrauen. Andrea Stadels lupenreine Technik bringt Brangänes Erzählungen klar bis in die letzte Reihe. Jacob Scharfman ist mehr ein Bariton- als ein Bass-König Marke. Ganz intensive Momente als Isot (die Weißhaarige) hat Delia Bacher mit ihrem ausgeprägten Alt.

Der Platz hier ist zu bemessen, um detailliert einzugehen auf das Potenzial und die Leistung von Frederike Schulten, Elizaveta Rumiantseva, Timotheus Maas, Wonjun Kim und Viktor Aksentijević: Sie wachsen stimmlich ebenso über sich hinaus wie auch Mark McConnell und Emi Nakamura (aus dem Chor) in weiteren prononcierten Rollen punkten können. Erste Bühnenschritte macht Liv Raffaelli als verspieltes Kind.

In dieser Aufführung kann auch mitvollzogen werden, wie Nathan Bas jeden Takt und zumal das Ganze in Händen und Armen hat, wie er Lyrik aussenden und Dramatik aufbauen lässt. Die Stimmungen im Streichseptett (lediglich Bratsche und Cello sind doppelt besetzt) stellen sich auf die gute Akustik der Kammerspiele ein, das Klage-Motiv der Viola (Elisabeth Fricker) geht unter die Haut. Kein Wunder also, dass das Premierenpublikum ganz lange applaudierte bei diesem Stück Musiktheater, das durchaus auch die Jugend anspricht.

Das Premierpublikum war begeistert. Fotos: Olaf Malzahn

Das Premierpublikum war begeistert. Fotos: Olaf Malzahn


Text-Nummer: 171626   Autor: Güz.   vom 16.03.2025 um 14.36 Uhr

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