6. Sinfoniekonzert: Tragik und Zuversicht
Lübeck: Archiv - 23.03.2025, 19.17 Uhr: Das 6. Sinfoniekonzert der Lübecker Philharmoniker unter Leitung von GMD Stefan Vladar war am Sonntagvormittag in der MuK nahezu ausverkauft: Antonin Dvoraks 9. Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ bleibt mit ihrer Zuversicht eines der beliebtesten Werke überhaupt – und das Violinkonzert von Miezyslaw Weinberg macht neugierig seit dem eindrucksvollen Erfolg seiner Oper „Die Passagierin“ im Großen Haus.Weinberg (1919-1996), der spätentdeckte “Verarbeiter“ polnischer Geschichte im Moskauer Exil und dort Freund von Dmitri Schostakowitsch, zeigt im Violinkonzert g-Moll seine expressionistisch-melodische Handschrift. Unverkennbar ist schon im Allegro molto die Verwandtschaft mit dem sowjetischen Widerspenstigen und dessen Staccato-Drängen sowie lyrischen Einsprengseln. Der Wiener Benjamin Schmid zeigte in der MuK, warum er seit über drei Jahrzehnten zu den interessantesten Interpreten neuerer Violinwerke zählt. Er beherrscht die durchgehend Erzählweise Weinbergs, die im 1. Satz immer wieder von Schlagwerk durchbrochen wird. Vladar führt mit sorgsamen Handzeichen die Philharmoniker, hält im Adagio auf breiten Streicherfluss, wenn der Solist Unsagbares akribisch zu erzählen sucht. Im Finale, Allegro risoluto, verlangt Weinberg noch einmal höchste Konzentration von Ausführenden und Hörern – und es mahnt die tragische Unerbittlichkeit der Pauke.
Komplex und doch klar ist diese Musik, der sich Schmid verschrieben (und dieses Werk auch auf Tonträger eingespielt) hat. Sein Können demonstrierte er im Sonntagskonzert auch mit Zugaben, darunter eine eigene Bach-Chaconne-Bearbeitung, deren spektakuläre Virtuosität zwar nicht recht zur voraufgegangenen Thematik passen wollte, beim Auditorium aber einen Begeisterungssturm auslöste.
Und dann Dvoraks Ohrwurm. Nach dem einleitenden Horn-Ruf nahm Stefan Vladar diese „Neunte“ in derart schnellem Tempo, dass sie einiges von ihrem romantischen Charme verlor. War diese straffe Herangehensweise etwa ein Protest gegen die neue Welt eines Trump? Dem übersteuerten Kopfsatz folgte ein sich besinnendes Largo. Es berührten die Bläser-Akkorde, atmeten wie von selbst: Vor allem Wolfgang Eickmeyer (Englischhorn) und Johannes Brüggemann (Oboe), Waldo Ceunen und Viola Hegge (Flöte) sowie Andreas Lipp und Katharina Ruf (Klarinette) sind von ihren schönen Aufgaben ebenso erfüllt wie das Hornquartett, voran Anton Schulze und Johannes Wache. Und alle Philharmoniker sind so freudig bei einer Wiedergabe, die am Sonntag von einer gewissen Ungeduld des GMD geprägt war. Das Publikum dankte für die rasante Orchesterleistung mit begeistertem Applaus.

Der Wiener Benjamin Schmid zeigte in der MuK, warum er seit über drei Jahrzehnten zu den interessantesten Interpreten neuerer Violinwerke zählt. Foto: Wolfgang Lienbacher/Archiv
Text-Nummer: 171773 Autor: Güz vom 23.03.2025 um 19.17 Uhr