Von Göttern, Göttinnen, Helden und Heiligen
Lübeck - Innenstadt: Archiv - 30.03.2025, 08.39 Uhr: Ein Markenzeichen des Phemios-Kammerchores sind die fröhlichen, grasgrünen Notenmappen, aber das wichtigere Merkmal ist die ausgezeichnete Qualität des Ensembles, das sich mit seinem Leiter Joachim Thomas der A-cappella-Chorliteratur vom Mittelalter bis in die Gegenwart verschrieben hat. Das gut besuchte Konzert am Sonnabend in der Aegidienkirche war einmal mehr die wunderbare Demonstration einer sorgfältig geprobten und mit Liebe und Leidenschaft vorgetragenen Klangkultur.Schon beim vierstimmigen „Praised be Diana“, einem der sechs „elisabethanischen Pastorale“ des englischen Spätromantikers Charles Villiers Stanford (1852-1924) fiel die Ausgewogenheit der Stimmen auf, ebenso in den beiden harmonisch kühn und kunstvoll polyphon gesetzten 6stimmigen Madrigale von Thomas Weelkes (1576-1623). In „Hymn to St. Cecilia” lief der Phemios-Kammerchor zu absoluter Hochform auf. Für Benjamin Britten (1913-1976) war es eine Herzensangelegenheit gewesen, ein Werk über die Schutzpatronin der Musik zu komponieren, denn er selbst war am Tag der Heiligen Cäcilie geboren. Er beauftragte seinen Dichterfreund W. H. Auden (1907-1973) mit einer Ode zur Verehrung und Anrufung der Heiligen. „Erscheine allen Musikern in Visionen und inspiriere sie“ ist die immer wiederkehrende Formel, und in dieser Aufführung wurde der Wunsch wahr. Das dreiteilige Werk, bewusst barocken Stilmitteln verpflichtet bis hin zu freien Fugenformen, verlangt von den Sängern viel. Transparent und differenziert war die Gestaltung, einzelne Chorsänger traten solistisch heraus, besonders eindrucksvoll die jungen Sopranistinnen, höchste Höhen in makellosem und geradem Ton.
Oliver Tjabben, ein vielseitig begabter junger Organist, interpretierte den Choral Nr. 3 aus den „Trois Chorals pour Grand Organue“ von César Franck (1822-1890). Nur assoziativ sind die Verbindungen dieses Spätwerks zu Kirchenmusik – die Bezeichnung „Choral“ ist missverständlich, denn es geht um kein Kirchenlied, sondern aus anfänglichem Präludieren heraus entwickelt sich eine längere Melodie, die in sinfonischer Manier durchgeführt wird und in einem markanten Abschluss endet.
Eine Überraschung war das sehr selten zu hörende Chorlied „Der Abend“ (op.34) von Richard Strauss (1864-1949) nach einem Gedicht von Friedrich Schiller. Phoebus, ein Gott der Sonne und des Lichts, kommt zur Ruhe in den Armen der Meeresgöttin Thetys. Obwohl in 16 Stimmen aufgeteilt, gelangen den 27 Sängern souverän in lupenreiner Intonation die chromatisch geprägten Überlagerungen von Klangschichten, -farben und -flächen. Zu diesem sehr ruhigen, fast meditativen Gesang war „Iuppiter“ von Michael Ostrzyga (*1975) ein krasser Gegensatz. In der humorvollen Komposition, die man „mit Größenwahn“ singen soll, kommen Göttervater Jupiters sämtliche Namen und seinem Namen verwandte Begriffe vor, es wird gesummt, geflüstert, gepfiffen, einzelne Silben werden bis zur Unkenntlichkeit wiederholt, ein rasanter „drive“ drängt in einen fulminanten Schluss. Dieses Stück hat alles, um ein Publikum von den Stühlen zu reißen, und genau das geschah. Die Begeisterung nahm kein Ende, es wurde noch geklatscht, als die Musiker schon abgegangen waren.
Weitere Aufführung:
Sonntag, 30. März 2025, um 18 Uhr in St. Georg auf dem Berge, Ratzeburg.
Eintritt frei, um Spenden wird gebeten.

Der Phemios-Kammerchor begeisterte am Samstagabend in St. Aegidien. Foto: Chor
Text-Nummer: 171891 Autor: Svea Regine Feldhoff vom 30.03.2025 um 08.39 Uhr