7. Sinfoniekonzert: Optimismus und Größe

Lübeck: Am Sonntag präsentierte das Philharmonische Orchester in der gut besuchten Musik- und Kongresshalle im Rahmen ihres 7. Sinfoniekonzerts neben der „Petite Symphonie Concertante“ von Frank Martin auch Schuberts „Große C-Dur-Sinfonie“ – und das war in der Tat hörenswert.

Die „Petite Symphonie Concertante“ des 1890 geborenen Schweizer Komponisten Frank Martin ist eines seiner bekanntesten Werke, und ist doch eher selten im Konzert zu hören, was auch an der ungewöhnlichen Besetzung liegen mag, treffen in diesem Werk doch Harfe, Cembalo und Klavier auf gleich zwei Streichorchester. Dabei ist dieses zweisätzige Werk höchst spannend und delikat anzuhören und, insbesondere wenn es so wie am Sonntag erklang, eine große Bereicherung für das Konzertleben, spielt es doch auf den verschiedensten Ebenen mit Kontrasten und Widersprüchen.

Inhaltlich ist in diesem eigentlich neoklassischen Werk (mit Anklängen an Schönberg und Webern) Martins Verehrung für Bach unverkennbar, zugleich aber auch seine kompositorische Gabe, durch eine eigene Verwendung von Harmonie immer wieder ein Lokalkolorit zu schaffen, dass Musikstile und Traditionen Frankreichs erinnert. Viele Farben gilt es also zu schaffen. Und auch instrumentale Disposition in dieser Symphonie Concertante bringt für die Aufführenden Herausforderungen mit, treffen doch die Streichinstrumente in den Orchestern auf die solistischen Anschlags- und Zupfinstrumente, die durch ihre Art der Klangerzeugung mehr perkussives Klangfarben beitragen. Genug Material also, die für Solisten, Dirigent und Orchester auch interpretatorisch herausfordernd ist. Und nicht zuletzt die Entstehungszeit am Ende des 2. Weltkrieges lässt Spuren erkennen.

Umso beglückender war das Ergebnis dieser Auseinandersetzung mit dem Werk, die den Protagonisten am Sonntag gelang. Alexandra Nepomnyashchaya am Cembalo und Johanna Jung an der Harfe gelang es mit ihrem Spiel, der dunklen Grundstimmung zu Beginn des Werkes ein Glitzern wie aus 1.000 kleinen Diamanten entgegenzusetzen, begleitet, ergänzt und bereichert durch seidig schimmernde Klangfarben von Youngho Park am Klavier. Und so wandelte sich auch der Charakter der Streicher im Orchester, angeregt besonders an den Stellen, an denen der Konzertmeister Carlos Johnson ebenfalls mit kleinen solistischen Parts das Werk lyrisch aufhellte.

Und ebenso, wie Martin in seiner Komposition den Optimismus triumphieren lassen will, kamen auch am Sonntag die hellen Elemente immer klarer zum Vorschein. Ein eindringliches, drängendes Unisono der Streicher vermittelt ein Gefühl von Dringlichkeit. Nepomnyashchaya und Jung an Cembalo und Harfe führen einen faszinierenden Dialog, der in seiner archaischen Einfachheit eine geheimnisvolle Stimmung erzeugte, und Park Klavier entführte uns dann in klangvolle, hoffnungsvolle Sphären. Wunderbar auch, wie Stefan Vladar und das Orchester Tempo und Dynamik dann weiter nach vorne drängen liegen und wie insgesamt die innere Haltung straffer und aufrechter wurden und sich das Ganze schließlich wie ein Phönix aus den Ruinen des Krieges erhob. Eine beeindruckende Aufführung eines nicht einfach zu bewältigenden Werkes, für das alle Mitwirkenden, aber vor allem die drei Solisten, zurecht schon vor der Pause die ersten Bravo-Rufe erhielten.

Damit war aber auch die Spannung auf den zweiten Teil des Konzerts geweckt, die keine übliche Interpretation der großen Schubert-Sinfonie brachte. Diese werden häufig immer noch überlagert von einer fast beethovenschen Schwere und einem Pathos, der Schubert nie wirklich gerecht wird. All das war schon mit dem ersten Tönen verflogen. Kein dramatisches Horn-Motiv am Beginn, keine grüblerische Schwere, die auf allem lastet. Stattdessen durchwehte von Anfang an eine fast frühlingshafte Frische das Orchester. Mitreißend vorwärtsstürmend, vom brillanten Blech sicher getragen und mit einem frechen, fast kecken Schlagwerk – es war ein Genuss, den begeistert aufspielenden Musikern zuzuhören.

Auf gleiche Weise bürsteten Vladar und die Musiker des Philharmonischen Orchesters auch den zweiten Satz gegen den tradierten Strich. Befreit von aller grüblerischen Einkehr entstand ein fast tänzerisch-lebensbejahender Satz, ein „Tänzchen mit Tränchen“, wie Vladar in der Einführung anmerkte. Selten konnte man Schmerz und Freude so eng und doch so liebreizend erleben.

Nicht weniger lebhaft erklang das Scherzo, leichtfüßig, fast wienerisch, und doch straff und voller Energie und Kraft. Und das ist keine geringe Herausforderung in einem Werk, das mit einer Spieldauer von circa 60 Minuten für viele Jahre das längste Instrumentalwerk überhaupt war. Eine gute Disposition der Kräfte ist also eigentlich bei der Bewältigung dieser Sinfonie eine wichtige Frage bei der Anlage der Interpretation. Bei Vladar und den Musikern des Orchesters schien dieses an diesem Tag in unendlichem Maße vorhanden zu sein, denn auch der letzte Satz geriet zu einem Feuerwerk der Freude, das nicht nur die Größe der Sinfonie feierte, sondern auch begeisterten Applaus und vielfache Bravo-Rufe des Publikums hervorbrachte. Eine wirklich großartige „Große C-Dur“.

Das Konzert in der MuK überzeugte das Publikum.

Das Konzert in der MuK überzeugte das Publikum.


Text-Nummer: 172194   Autor: UWi   vom 14.04.2025 um 18.19 Uhr

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