Jusos lehnen Wendelborn-Platz ab
Lübeck - Travemünde: In der letzten Woche plante die CDU Lübeck mit einem Antrag im Bauausschuss, den Bahnhofsvorplatz in Travemünde nach Helmut Wendelborn zu benennen. Der Antrag wurde zunächst vertagt. Die Jusos Lübeck kritisieren die geplante Ehrung in dieser Form und fordern eine transparente und kritische historische Aufarbeitung.Helmut Wendelborn soll laut der Lübecker CDU anlässlich seines 100. Geburtstages im Jahr 2026 für „seine Verdienste um den Auf- und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in und um Travemünde“ geehrt werden. In ihrem Antrag nennt die CDU unter anderem die Gründung der Lübecker Verkehrsgesellschaft im Jahr 1945, Wendelborns Rolle als Lübecker Senator für Wirtschaft und Verkehr sowie seine 14-jährige Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag.
"Die CDU verschweigt allerdings in ihrer Antragsbegründung die Tatsache, dass Helmut Wendelborn ab April 1944 Mitglied der NSDAP war", so die Lübecker Jusos.
Tarek Kayser, Co-Kreisvorsitzender der Lübecker Jusos, betont: „Die Jusos können und wollen die historische Signifikanz von Helmut Wendelborns Wirken im Bund sowie in der Hansestadt Lübeck nicht absprechen. Wir müssen allerdings kritisch mit unserer Geschichte umgehen und klären, ob es nicht eine passendere Möglichkeit gibt, das Wirken von Menschen mit einer dementsprechenden Lebensgeschichte für unsere Hansestadt geltend zu machen.“
„Die CDU Lübeck hat den Jusos letztes Jahr noch Geschichtsvergessenheit vorgeworfen. Dass sie jetzt in ihrem Antrag die NSDAP-Geschichte von Wendelborn unerwähnt lässt, bedarf dringend Korrektur", erklärt Patrick Hahn, Pressesprecher der Jusos Lübeck. „Wir sind jederzeit gesprächsbereit, wie Wendelborns Engagement anderweitig kontextualisiert und gewürdigt werden kann. Aber Travemünde hat viele Töchter und Söhne, die keine NSDAP-Mitgliedschaft aufweisen und eine Ehrung genauso verdient hätten.“
Als Beispiel nennen die Lübecker Jusos den Travemünder Fischer Paul Stoß, der dem jungen Willy Brandt (damals Herbert Frahm) zur Flucht ins Exil nach Dänemark verhalf – ein Akt von historischer Bedeutung für die Bundesrepublik und Europa, der bisher kaum gewürdigt wurde.
Zwar wird bei einem möglichen Antragsbeschluss für eine offizielle Benennung grundsätzlich eine historische Prüfung der Persönlichkeit durch die Stadtverwaltung vorgenommen – aus Sicht der Jusos ist dies jedoch kein Freifahrtschein, kritische Punkte wie Wendelborns NSDAP-Mitgliedschaft unkommentiert zu lassen.
Der Antrag zur Umbenennung soll nach fraktionsübergreifenden Unstimmigkeiten zunächst von der Tagesordnung genommen worden sein und wurde dementsprechend noch nicht in der Stadtpolitik debattiert. Die Jusos Lübeck begrüßen die Bereitschaft des Antragsstellers Dr. Ulrich Brock (CDU) zu einer inhaltlich orientierten Debatte. Sie betonen aber, "dass die Auslassung der NSDAP-Mitgliedschaft zunächst selbstkritisch hinterfragt werden und Impulse für die weitere Debatte aus der CDU kommen müssen."
„Grundsätzlich sehen wir die Benennung eines Platzes nach einem ehemaligen NSDAP-Mitglied ohne eine historische Beleuchtung kritisch. Es gibt keinen akuten Anlass für eine Umbenennung – außer dem runden Geburtstag. Das ist zu wenig, um ohne eine breite Debatte so einen Schritt zu gehen“, ergänzt Tanja Hausdorf, Co-Kreisvorsitzende der Jusos Lübeck.
"Die Jusos Lübeck sind offen für einen Dialog mit Historikerinnen und Historikern sowie mit der Travemünder Öffentlichkeit", so die jungen SPD-Mitglieder. Sollte die CDU an ihrem Vorschlag festhalten, erwarten die Jusos eine gründliche Aufarbeitung und rufen zu einer offenen Diskussion über die Platzbenennung auf.

Patrick Hahn, Tanja Hausdorf, Tarek Kayser und Marie-Madeleine Piep fordern eine historische Aufarbeitung vor einer Entscheidung. Foto: Jusos
Text-Nummer: 172219 Autor: Jusos/red. vom 15.04.2025 um 15.59 Uhr
Kommentare zu diesem Text:
gernotM
schrieb am 15.04.2025 um 19.13 Uhr:
Daß ausgerechnet die roten Jusos gegen diese
Straßen-Umbenennung votieren, verwundert schon, zeigt aber auch deren Unehrlichkeit.
Gerade die "Roten" sind doch meisterhaft darin, Straßen umzubenennen, sofern ihrer sozialistischen Ideologie gefrönt wird.
Herr Wendelborn hat nicht nur für Travemünde, sondern auch für Lübeck und als Bundestagsabgeordneter für unser Land Großartiges geleistet.
Selbstverständlich gehört ihm die Ehre, den Platz in Travemünde nach seinem Namen zu benennen.
Der Hinweis auf seine NS-Zugehörigkeit ist geradezu lächerlich !
Zum Ende des Krieges wurden junge Männer gezwungen, für Deutschland zu kämpfen und der NS beizutreten.
Was für eine lächerliche Begründung dieser geschichts-klitternden Jugend, die Null Ahnung hat über diese Zeit !
nolli
schrieb am 16.04.2025 um 09.24 Uhr:
Der Mann wäre traurig wenn er den Platz sehen könnte
Artur Hiller
schrieb am 16.04.2025 um 09.36 Uhr:
@gernotM
Ganz genau!
...und ausgerechnet die JUSOS maßen sich an, darüber entscheiden zu können, ob ein sehr verdienter Lübecker geehrt wird.
Josef Knecht
schrieb am 16.04.2025 um 09.55 Uhr:
Ich hoffe, dass eine sachliche und wertschätzende Diskussion gelingt, welche die Beteiligten und alle vorgeschlagenen Namen schadlos hinterlässt. Den Hinweis der Jusos auf eine „historische Beleuchtung“ der vorgeschlagenen Namensträger bewerte ich als legitim und beim zweiten Nachdenken sogar für erforderlich. Darin erkenne ich keine „Geschichtsklitterung“.
Vielmehr erkenne ich in dem Vorplatz des Strandbahnhofs eine besondere städtebauliche, kulturelle und touristische Bedeutung, so dass eine Abwägung mehrerer Namensideen geboten ist. Hier besteht die Chance, Travemünde eine besondere neue Adresse zu verleihen.
Ich schlage den „TONY-BUDDENBROOK-PLATZ“ vor. Der Name erfüllt locker den kulturellen und touristischen Anspruch. Darüber hinaus kann in der Biografie einer fiktiven Person selbst „posthum“ kein Makel entdeckt werden. Ebenso wäre dem immer noch viel zu geringen Anteil weiblicher Ortsnamen in Lübeck begegnet. Der Name würde auch die Verbindung der Hansestadt zu seiner schönsten Tochter stärken und dem Strandbad insgesamt eine „würdevolle Heiterkeit“ verleihen.
Und wenn es eines „runden Geburtstags“ bedarf: Thomas Mann wäre in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden.
Martin Walter
schrieb am 16.04.2025 um 10.23 Uhr:
Bitte nicht "Wendelborn-Platz". Das hat dieser Mensch nicht verdient.
Dieser Wurmfortsatz der Bertlingstraße ist doch an Ungestalt kaum zu überbieten.
Eine Bekannte aus Hamburg meinte neulich es würde rund um den Strandbahnhof schon etwas "schrottig" aussehen. Damit meinte sie das Gerümpel auf dem ehemals zweiten Gleis, den Flohmarkt im Bahnhofsgebäude und den Vorplatz bis zur Kaiserallee. (Wobei das ehemals zweite Gleis am Hafenbahnhof dem Strandbahnhof ja in nichts nachsteht.)
Ein einst "mondänes" Strandbad welches immer so viel auf sich hält empfängt also auf diese Weise seine Gäste?
"Schrottig" muss ich zugestehen, hat mich dann doch ein wenig getroffen. Aber wenn man sich das Ensemble bei Sonnenschein betrachtet...
Eine Stadt die an allen Ecken auf Denkmalschutz achtet, einen Gestaltungsbeirat beschäftigt und Experten für jegliche Form des Bauwesens anbietet und dann so ein Entree der ehemals angeblichen "schönsten Tochter" der Stadt.
Immerhin darf man den Jusos dafür danken, dass sie eine neuerliche Diskussion um das Stadtbild in Travemünde angestoßen haben. Jetzt fehlen nur noch Verbesserungsvorschläge wie man diese "Wunde" im Ansehen der Hansestadt wieder heilen könnte.
Pulami
schrieb am 16.04.2025 um 10.44 Uhr:
Ich würde Werner Brösel Platz vorschlagen. Der Erfinder von Werner,
Rötger Feldmann, wurde in Travemünde
geboren. Ausserdem wurde Herr Feldmann in diesem Jahr 75 Jahre alt.
Micha
schrieb am 16.04.2025 um 10.56 Uhr:
@ Pulami
Moin,
super Idee!!! Röhrich-Platz wäre auch gut!!
gordon zöllner
schrieb am 16.04.2025 um 11.21 Uhr:
Kannte Helmut Wendelborn noch persönlich. Ein absolut integrer Mann mit Persönlichkeit. Er hat viel für Lübeck und Travemünde bewegt.
Wenn die Jusos ihm vorhalten 1944 ,als 19jähriger, einige Wochen in der
NSDAP gewesen zu sein zeugt dieses von geschichtlicher Arroganz oder Naivität.
Es ist leicht und billig nach 80 Jahren (aus heutiger Perspektive heraus)
Richter spielen zu wollen.
Mischa
schrieb am 16.04.2025 um 12.02 Uhr:
@gernotM
"Zum Ende des Krieges wurden junge Männer gezwungen, für Deutschland zu kämpfen und der NS beizutreten."
Das sich diese bewusste Lügen bis heute hält, wundert mich. Dachte ich doch, dass dieser apologetische Unsinn ein für allemal geklärt ist.
Niemand wurde zur Mitgliedschaft gezwungen und niemand war unbewusst Mitglied der NSdAP. Weder vor den Krieg, noch während des Krieges. Nein, auch nicht zum "Führergeburtstag"! Die Aufnahme in die NSdAP bedurfte eines schriftlichen Antrages. Ausgefüllt und unterschrieben vom zukünftigen Parteimitglied.
Es ist aus diesen 12 Jahren Terrorherrsachaft kein einziger Fall einer erzwungenden und unbewussten Parteizugehörigkeit bekannt, geschweige denn belegbar.
Wendelborn war bewusst und freiwillig Mitglied der Nazipartei und das sollte auch nicht verheimlicht werden. Das wirft schon ein anderes Licht auf ihn. Auch ohne seine Verdienste in der Nachkriegszeit zu schmälern. Die CDU, wie jede andere damalige Partei ein Sammelbecken von ehem. NSdAP-Mitgliedern, täte gut daran, nicht die Wahrheit zu verschweigen.
christoph plenius
schrieb am 16.04.2025 um 13.31 Uhr:
und... knickt die CDU wieder mal ein und gibt klein bei ?
Ganz im Sinne von political correctness
elvira kloss
schrieb am 16.04.2025 um 15.32 Uhr:
War nicht, der hochverehrte, Günter Grass sogar in der Waffen SS ?
(und hat dieses lange verschwiegen).
Wird hier mit womöglich zweierlei Maß gemessen ?