Restitution: Kerckring-Altar kann in Lübeck bleiben

Lübeck - Innenstadt: Der sogenannte „Kerckring-Altar“ von Jacob van Utrecht kann nach aktueller juristischer Einschätzung in Lübeck bleiben. Das Altarretabel aus dem Jahr 1520, das sich seit rund 80 Jahren im St. Annen-Museum befindet, hatte seinen Verbleib davor viele Jahre in Riga, weswegen sich das lettische Kulturministerium im September 2023 mit einem Restitutionsgesuch an die Hansestadt Lübeck wandte.

Das Ministerium berief sich dabei auf das Testament des ursprünglichen Besitzers Friedrich Wilhelm Brederlo, nach dem die Sammlung als Ganzes in Riga erhalten bleiben solle und argumentierte, dass es sich bei der Übergabe der Sammlung 1906 an das Kunstmuseum Riga nicht um eine Leihgabe, sondern um eine Eigentumsübertragung gehandelt habe. Zudem bezeichnete es die Schenkung aus dem Jahr 1941, wodurch das Retabel nach Lübeck gelangte, als widerrechtlich erlangte „Kriegsbeute“.

Aufgrund der Komplexität des Falls informierte die Hansestadt Lübeck daraufhin das Auswärtige Amt, das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg sowie die Kulturabteilung im Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein über die Angelegenheit und beauftragte den Fachanwalt Professor Dr. Peter Raue (Kanzlei RAUE, Berlin), den Sachverhalt juristisch zu prüfen.

Inzwischen liegt ein Ergebnis vor, das dem Ausschuss für Kultur- und Denkmalpflege am 11. Mai 2025 als Bericht präsentiert wird. Demzufolge ist die Stadt Riga rechtlich nie Eigentümerin des Kerckring-Altarretabels gewesen, sondern hat dieses nur als Leihgabe verwahrt. Das Retabel befand sich damit nach Aussage des Gutachtens weiterhin im Besitz der Familie Sengbusch, die es 1992 offiziell der Hansestadt Lübeck gestiftet hat. Dies hat der Bürgermeister der Hansestadt Lübeck der lettischen Kulturministerin am 7. Februar 2025 in einem Schreiben unter Beifügung des Gutachtens mitgeteilt.

Das Kerckring-Altarretabel ist kunst- und kulturhistorisch eines der bedeutendsten Werke des St. Annen-Museums. Es wurde im Jahr 1520 durch den niederländischen Künstler Jacob van Utrecht im Auftrag des Lübecker Ratsherrn und Kaufmann Heinrich Kerckring gemalt. Bei dem Retabel handelt es sich um das einzige signierte, in Lübeck entstandene und existierende Werk des Künstlers. Abgebildet sind Heinrich Kerckring sowie seine Frau Katharina.

Kerckring war Kontrahent des damaligen Lübecker Bürgermeisters Jürgen Wullenwever und spielte politisch eine wichtige Rolle. Damit bezieht sich das Retabel explizit auf die Stadtgeschichte beziehungsweise auf die Geschichte prominenter Lübecker Patrizierfamilien, zumal über den Köpfen beider abgebildeten Personen auch die Wappen ihrer jeweiligen, für das damalige Lübeck bedeutsamen, Familien zu sehen sind.

Über den unmittelbaren Verbleib des Altarretabels nach dem Tod von Heinrich Kerckring ist nichts bekannt; 1893 tauchte es im Nachlass des Kunstsammlers Friedrich Wilhelm Brederlo auf, der seine gesamten Schätze seinem Schwiegersohn Wilhelm von Sengbusch vermachte. 1906 erhielt das Kunstmuseum in Riga diese Sammlung inklusive des Retabels als Dauerleihgabe von der Familie Sengbusch, bis diese aufgrund des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrags 1939/40 aus Riga vertrieben wurde.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Riga 1941 „schenkte“ der neue Gebietskommissar und kommissarischer Oberbürgermeister von Riga das Kerckring-Altarretabel der Hansestadt Lübeck, woraufhin es ins St. Annen-Museum gelangte. 1965 entdeckte die Familie von Sengbusch das Retabel im St. Annen-Museum. Sie meldete Eigentumsansprüche an, war aber bereit, das Werk dem St. Annen-Museum als Leihgabe zur Verfügung zu stellen.

Im Jahr 1992 schließlich kam es zu einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Erbengemeinschaft und der Hansestadt Lübeck, mit der die Hansestadt Lübeck das Eigentumsrecht der Familie an dem Altarretabel anerkannte und es ihr restituierte. Im Gegenzug stiftete die Familie im selben Jahr das Kerckring-Altarretabel dem St. Annen-Museum.

Nach Einschätzung der Stadt Lübeck war die Stadt Riga nie Eigentümerin des Kerckring-Altars. Foto: Felix König, Fotoagentur 54°

Nach Einschätzung der Stadt Lübeck war die Stadt Riga nie Eigentümerin des Kerckring-Altars. Foto: Felix König, Fotoagentur 54°


Text-Nummer: 172486   Autor: Presseamt Lübeck   vom 02.05.2025 um 10.50 Uhr

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