Umwelt-Arbeitsgemeinschaft nach 55 Jahren aufgelöst

Lübeck: Die „Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz“ (AGU) wurde im Jahre 1971 gegründet. Gemeinsam wollte man die Probleme des Natur- und Umweltschutzes in der Lübecker Region angehen. Jetzt löst sie sich auf, auch weil Nachwuchs fehlt. Heinz Egleder, Ehrenvorstand von Hanse-Obst und AGU-Sprecher bis Oktober 2025, hat einen „Nachruf“ geschrieben.

Der Bericht von Heinz Egleder: („) Nun hat sich auch die „Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz (AGU) Lübeck und Umgebung“ aufgelöst. Entstanden 1971, hatte sie zur besten Zeit 25 aktive Mitgliedsvereine wie den BUND Lübeck oder den Landschaftspflegeverein Dummersdorfer Ufer. Nachdem 2024 ebenfalls die Bürgerakademie Lübeck abgewickelt wurde, stellt sich die Frage: Wandelt sich das Bürgerengagement in Lübeck? Brauchen wir noch Foren zur Projektförderung?

Jedenfalls wäre der Hanse-Obst e.V. wohl ohne die Unterstützung durch die AGU und die Bürgerakademie nie so entstanden. Als unerfahrene Natur- und Obst-Initiative bekamen wir in der AGU Informationen gleichgesinnter und gestandener Umweltschützer. Die Bürgerakademie Lübeck gab uns motivierende Anerkennung: Ihr Preisgeld beim Wettbewerb 2013 „Der Hanse auf der Spur“ war erstes Startkapital für unseren später gegründeten Verein, auch unser Vereinsname „Hanse-Obst“ stand nun fest.

Aus Dankbarkeit einige Gedanken zur AGU, die ein halbes Jahrhundert das grüne Lübeck mitgestaltet hat. Der langjährige Sprecher der AGU, Dr. Wolfram Eckloff, ehemaliger Leiter vom Museum für Natur und Umwelt (MNU), beschrieb die Gründungsabsicht so: „Die AGU wurde 1971 gegründet mit dem Ziel, wesentliche Probleme des Natur- und Umweltschutzes in der Lübecker Region gemeinsam zu erörtern.“ Wer den engagierten Museumsleiter noch kennt, weiß, wie diplomatisch seine Formulierungen stets waren. Dr. Eckloff wollte und konnte die unterschiedlichsten Lübecker Vereine, Verbände und Initiativen, dazu noch Behördenvertreter, in einer Arbeitsgemeinschaft bündeln. In der AGU-Satzung von 1989 heißt es: „Die AGU tritt ein für die Förderung des Natur-, Tier- und Lebensschutzes in der Region Lübeck.“

In anderen Städten, etwa Hamburg oder Kiel, ist es nie gelungen, wie hier in der Hansestadt, 20 bis 25 unterschiedliche Interessenvertreter der Zivilgesellschaft für einen gemeinsam getragenen Natur- und Umweltschutz zu bündeln: vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Lübeck bis zur Wildblumeninitiative. Der damalige Kieler Umweltminister Dr. Robert Habeck, geborener Lübecker, beneidete uns darum. Bei einem Treffen in seinem Kieler Büro im November 2017 sagte Habeck zu Hanse-Obst-Vertretern in puncto des Natur- und Umweltschutzes: „Lübeck ist Kiel voraus.“

„In den Sitzungen werden zeitnahe Fragen des Umwelt- und des Naturschutzes diskutiert“, so Dr. Eckloff in einem AGU-Positionspapier, „in der Regel nach einem Impulsvortrag durch einen geladenen Fachmann.“ Weiter heißt es in diesem Papier: „Um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und den Gedanken des Natur- und Umweltschutzes positiv zu besetzen, hat die AGU in den 90er Jahren sechsmal den Lübecker Naturschutzpreis an vorbildliche Akteure vergeben. Als die Charta von Ålborg in den Mitteilungen des Deutschen Städtetages bekannt wurde, stellte die AGU bei allen Fraktionen der Bürgerschaft den Antrag auf Beitritt Lübecks zur Charta, was dann auch durch Unterschrift des Bürgermeisters Michael Bouteiller geschah. In der Folge dieses Bürgerschaftsbeschlusses entwickelte Lübeck einen der lebendigsten Prozesse zur Lokalen Agenda 21 in Deutschland.“

Die AGU und ihre zwei Dutzend Einzelorganisationen haben mit dazu beigetragen, dass die Lübecker Bürgerschaft 1986 die naturnahe Waldbewirtschaftung nach dem Konzept von Dr. Lutz Fähser sowie 2013 die „Essbare Stadt Lübeck“ beschloss und im Mai 2019 als eine der ersten deutschen Städte den Klimanotstand ausrief. Die AGU hat also Spuren in der Hansestadt Lübeck hinterlassen.

Die AGU-Anfänge waren allerdings bescheiden: Vor 55 Jahren sollen der Lübecker Gartenamtsleiter, Helmut Popert, und eine vegetarische Pension, bei der die ersten Treffen per Postkarte vereinbart wurden, von Bedeutung gewesen sein. Danach traf man sich im Vereinssaal der Deutschen Unitarier in der Fleischhauerstraße. In den 80er Jahren verwandelte Dr. Eckloff die formlose Vereinigung in ein gemeinnütziges Konstrukt. Dies erhöhte auch die politische Wirksamkeit der damals schon 20 Vereine und Initiativen umfassenden AGU. Ab Ende der 90er Jahre fanden schließlich, bis zuletzt, die Treffen im „Studio Natur“ des Museums für Natur und Umwelt beziehungsweise im MNU-Vortragssaal statt.

Als AGU-Hauptsprecher agierten dann ab 2011 nach Wolfram Eckloff unter anderem Jörg Clement, Reinhard Degener, Matthias Braun, Christoph Beckmann-Roden, Christa Fischer, Heinz Egleder oder Stefan Zink. Frauen und Männer, die das grüne Lübeck maßgeblich mitgestaltet haben – gemäß der Vorgabe vom Lübecker Gartenamtsleiter Harry Maasz von 1912 einer „ideal grünen Stadt Lübeck“. Auch die Lübecker Umweltaktivistin Brigitte Dowideit verdient Erwähnung: Sie setzt sich seit einem halben Jahrhundert um Schadensbegrenzung im grünen Lübeck ein und ist bis heute die einzige Zeitzeugin von den AGU-Anfängen.

Der Einfluss der AGU war viele Jahre so stark, dass neue Amtsinhaber im Bereich Bauen und Umwelt oder Stadtgrün wie auch die Bürgermeister stets einen Antrittsbesuch bei einer öffentlichen AGU-Sitzung vornahmen. Das Treffen mit Bürgermeister Michael Bouteiller war aus AGU-Sicht sehr gelungen, das Treffen mit Bernd Saxe zufriedenstellend. Das Treffen mit Jan Lindenau fand erst nach vier Jahren seiner Amtszeit statt, das Fazit aber: Der grünste Bürgermeister, den das grüne Lübeck je hatte!

Die AGU-Treffen jüngeren Datums befassten sich mit Themen urbaner Mobilität, insbesondere der Lübecker Fahrradwege oder einer Lübecker Straßenbahn. Es ging um artenreiche und bienenfreundliche Gärten; 2022 verschenkte die AGU dazu 500 Blühstauden an interessierte Lübecker, darunter auch Kitas und Schulen. Der neue Naturerlebnisraum Strukbach oder „Fledermäuse und Licht“ wurden thematisiert. Die letzten gut besuchten Veranstaltungen datieren noch von vor der Corona-Pandemie: Zur Themenreihe „Klimaschutz in Lübeck konkret“ kamen Referenten von Fraktionen der Lübecker Bürgerschaft und von Fridays for Future sowie viele interessierte Bürger.

Dass nun nach knapp 250 öffentlichen AGU-Sitzungen die Auflösung durch die Mitgliederversammlung beschlossen wurde, liegt nicht allein an Besucherzahlen: Die langjährigen AGU-Sprecher Gesche Peters und Heinz Egleder stellten sich nach Ablauf ihrer Wahlperiode aus Altersgründen nicht zur Wiederwahl. Die satzungsgemäße Anzahl von Sprechern konnte nicht mehr gefunden werden. Junge Menschen für die Vorstandsarbeit fehlen, etablierte Vereine vermeiden zusätzliche Arbeit.

Zurück zur Ausgangsfrage: Brauchen wir in Lübeck noch Foren zur Projektförderung? Natürlich! Sicher sehen diese Foren aber anders aus. Auch die Projektinhalte haben heute andere Schwerpunkte: Klimaanpassung, lokale Ernährung, faires Miteinander. Derzeit entwickelt sich ein neues, viel breiter aufgestelltes Umwelt-Netzwerk in Lübeck um die Aktivistin Katja Mentz. Dem neuen Netzwerk ist zu wünschen, dass es so viele Impulse für Lübeck liefern kann, wie die AGU zu ihren besten Zeiten. Einer der letzten AGU-Beschlüsse im Oktober 2025: das vorhandene AGU-Vermögen teilweise an einen Zukunftskongress des neuen Netzwerkes fließen zu lassen.

Die AGU ist nun Geschichte. Unser Blick zurück: in Dankbarkeit und Respekt. („)

Regelmäßig machten Lübecker Bürgermeister einen Antrittsbesuch bei der „Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz“ (AGU). Foto: Hanse Obst e. V.

Regelmäßig machten Lübecker Bürgermeister einen Antrittsbesuch bei der „Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz“ (AGU). Foto: Hanse Obst e. V.


Text-Nummer: 175949   Autor: Heinz Egleder/red.   vom 04.11.2025 um 08.17 Uhr

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