Raus mit dem Sprengstoff aus der Lübecker Bucht

Ostholstein: Archiv - 05.08.2021, 15.30 Uhr: Jahrzehntelang wurde das Problem der Ostseemunition in der Lübecker Bucht verschleppt. Das scheint sich jetzt zu ändern. Als Gaby Jungk von den Scharbeutzer Grünen sich aufmachte, zu einer Vortragsveranstaltung zum Thema Ostseemunition in der Lübecker Bucht in die Christian Klees Halle einzuladen, gab es auch von sehr hochrangigen Experten nur spontane Zusagen. Und das Urteil der Fachleute ist absolut eindeutig.

Keiner will mehr eine weitere Kommission, keiner will die nächsten fünf Jahre mit der Entwicklung einer Bergungsstrategie vergeuden. Das Problem ist erkannt, die technischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bergung sind gegeben, nur die finanziellen Mittel müssen noch freigegeben werden.

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Die Bundestagsabgeordneten Bettina Hagedorn und Konstantin von Notz sehen auch dringenden Handlungsbedarf.
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Und gerade das wird allerhöchste Zeit, das haben auch die im Saal anwesenden Politiker aller Parteien verstanden. Die Scharbeutzer Gemeindevertretung zieht bereits parteiübergreifend an einem Strang. Eine Initiative, die Bergung des Gefahrguts endlich anzuschieben und anzufangen, wird von allen grimmig unterstützt. Mit ihrer Bürgermeisterin Bettina Schäfer sind sie sich einig. Es darf nicht mehr länger gewartet werden. Constantin von Notz (Grüne) und Bettina Hagedorn (SPD) aus dem Deutschen Bundestag haben das wohl registriert. Die Bürger wollen endlich konkrete Fortschritte in diesem bereits jahrelang schwelenden Thema sehen.

In diese Richtung ging auch ein leidenschaftlicher Appell des Kieler Toxikologen Professor Edmund Maser. Eindrucksvoll hat er auf der Basis seiner Untersuchungen demonstriert, dass eine schleichende Vergiftung des Wassers mit karzinogenen Stoffen droht, wenn jetzt nicht sofort gehandelt wird. Noch kann man alle Muscheln und Fische essen, noch halten die Mäntel der versenkten Granaten, aber das wird nicht ewig der Fall sein. Und eins haben seine Untersuchungen auch ergeben. Unbedingt bergen wo immer es geht. Durch eine Sprengung, die unter Wasser nie vollständig ist, bleiben hochgiftige Reste, die drohen über marine Organismen in die Nahrungskette zu gelangen.

Da gab es selbst Unterstützung von den Sprengexperten. Cay Grunau, der sich auf den Schutz von Meerestieren bei Sprengungen spezialisiert hat, weiß, dass die Granaten, die dort liegen noch nicht durchgerostet sind. Wenn aber weiter abgewartet wird, wird alles zu einer undefinierbaren Suppe und kann dann nicht mehr sicher geborgen werden.

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Wie das von statten gehen könnte erläuterte Tommy Kaltofen von ThyssenKrupp Marine Systems. Eine Arbeitsplattform müsste errichtet werden, auf der die Munition zerlegt und in Spezialgeräten auch zu ungiftigen Restmengen verarbeitet werden kann. Das kann direkt auf See oder auch an Land erfolgen. Das wäre in der Lübecker Bucht sichtbar, dient aber natürlich auch dazu, die Umweltqualität der Region langfristig für den Tourismus zu sichern.

Hier hören Sie die Stellungnahmen

Gaby Jungk, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Scharbeutz:

Cay Grunau, Experte für Sprengungen im Meer:

Bettina Schäfer, Bürgermeisterin von Scharbeutz:

Prof. Edmund Maser, Toxikologe:

Kontantin von Notz, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag:

Darum geht es auch Bürgermeisterin Bettina Schäfer. Ein mulmiges Gefühl bekamen alle, als Professor Jens Greinert vom GEOMAR die Karten der Fundorte und eine fotografische Dokumentation der dort versenkten Munitionskisten zeigte. Das sind zumindest die bekannten Fundorte, die geräumt werden müssen. Gespräche wurden auch noch geführt mit Günter Wosnitza, der von Zeitzeugen wusste, dass die Munition bei schlechter Sicht vom Lande so schnell wie möglich über Bord geworfen wurde. Die Fischer, die man seinerzeit dazu verdonnert hatte die explosive Fracht zu verklappen, hatten schließlich große Angst, selbst mit dem ganzen Kram in die Luft zu fliegen. Vieles wurde deshalb so schnell wie möglich über Bord gekippt. Auch diese Spur wird jetzt von den Experten des GEOMAR weiter verfolgt. Allein vor Haffkrug sollen laut Schätzung der Experten fast 1300 Tonnen Kriegsmunition im Wasser lagern.

Die Altlasten in der Lübecker Bucht sollen zügig geborgen werden. Fotos: Harald Denckmann (3), JW, O-Töne: Harald Denckmann

Die Altlasten in der Lübecker Bucht sollen zügig geborgen werden. Fotos: Harald Denckmann (3), JW, O-Töne: Harald Denckmann


Hier hören Sie den Originalton:

Text-Nummer: 146490   Autor: Harald Denckmann   vom 05.08.2021 um 15.30 Uhr

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