Diskussion um Größe des Bundestages

Lübeck: Archiv - 26.09.2021, 14.02 Uhr: Stefan Höfel, stellvertretendes bürgerliches Mitglied der Unabhängigen im Wahlprüfungsausschuss der Lübecker Bürgerschaft, hat einen eigenen Vorschlag für die notwendige Reform des Bundestagswahlrechts, damit die angestrebte Zahl von 598 Bundestagsabgeordneten bei der planmäßigen Bundestagwahl im Jahr 2025 erreicht wird.

Wir veröffentlichen die Mitteilung im Wortlaut:

(")1.) Zunächst muss es Bundes- statt Landeslisten geben, denn erstens handelt es sich um eine Bundestags- und um keine Landtagswahl. Zweitens werden bei Europawahlen schon Bundeslisten verwendet. Bei der letzten Europawahl am 26. Mai 2019 nutzten auf dem in Schleswig-Holstein geltenden Stimmzettel 39 der 40 angetretenen Parteien eine „Gemeinsame Liste für alle Länder“. Drittens hat eine Bundesliste den großen Vorteil, dass der/die Kanzlerkandidat/in dann nicht nur in dem einen Bundesland, in dem er/sie antritt, zu wählen ist. Der Slogan „Zweitstimme ist Kanzlerstimme“ würde endlich passen. Viertens würde durch Bundeslisten die Zahl der Überhang- und auch der Ausgleichsmandate erheblich sinken.

2.) Alternativ, wenn nicht sogar ergänzend, muss das Wahlrecht so geändert werden, dass ein Wahlkreis nur noch mit der absoluten Mehrheit der gültigen Erststimmen gewonnen werden kann. Das würde bedeuten, dass es, falls niemand mehr als die Hälfte der gültigen Erststimmen erhalten würde, eine Stichwahl zwischen den beiden Personen mit den meisten Erststimmen geben würde. Solche Stichwahlen sind ja u. a. bei Bürgermeisterwahlen üblich. Stichwahlen würden zwar zusätzliche Kosten verursachen, aber noch viel höhere Kosten haben die „überzähligen“ 111 Bundestagsabgeordneten, die seit 2017 im Bundestag sitzen, verursacht. Und die Möglichkeit, dass dem am 26. September gewählten Bundestag sogar über 800 Mitglieder angehören könnten, ist groß.

Da es bei der letzten Bundestagswahl am 28. September 2017 nur 13 Personen gab, die einen der 299 Wahlkreise mit über 50% der gültigen Stimmen gewonnen haben, hätte es, wenn diese Stichwahlregelung schon eingeführt worden wäre, 286 Stichwahlen geben müssen. Das verursacht Kosten, führt aber dazu, dass ein Direktmandat für den Bundestag nicht mit dem Minus-Rekord von nur 23,5% der Erststimmen gewonnen wird, wie es 2017 im Wahlkreis 75 (Berlin-Mitte) der Fall war!

Natürlich ist durch Stichwahlen nicht garantiert, dass es diese 111 zusätzlichen MdB nicht gegeben hätte, aber es ist sehr wahrscheinlich. So wurde 2017 z. B. der Wahlkreis 281 (Freiburg) vom CDU-Kandidaten mit nur 28,0% gewonnen. Es folgten die Grünen (25,7%), die SPD (22,7), die Linke (7,3%), die AfD (7,2%), die FDP (5,3%) usw. Die Stichwahl gegen die Kandidatin der Grünen hätte der CDU-Kandidat vermutlich verloren, denn die meisten Stimmen von SPD und Linke hätte wohl die Kandidatin der Grünen erhalten. Die CDU gewann in Baden-Württemberg alle 38 Wahlkreise, deren Folge Ausgleichsmandate waren. Hätte die CDU z. B. den Wahlkreis 281 nicht gewonnen, hätte es ein Überhangmandat und auch mindestens ein Ausgleichsmandat weniger gegeben!

Die Kosten von 286 Stichwahlen würden fast 30 Mio. Euro betragen. Diese Berechnung basiert darauf, dass die Hansestadt Lübeck für eine Stichwahl Kosten in Höhe von 100.000,00 Euro, hier Bürgermeister-Stichwahl 2017, berücksichtigt.

Im Vergleich zu den Kosten, die durch die zusätzlichen 111 Bundestagsabgeordneten verursacht wurden und noch werden, ist das wenig. Denn bei monatlichen Diäten von ca. 10.000,00 Euro pro Mitglied des Bundestags (MdB) sind das schon über 1,1 Million Euro im Monat, also über 13,2 Mio. Euro im Jahr und somit ca. 53 Mio. Euro in einer vierjährigen Legislaturperiode! Hinzu kommen noch weitere Ausgaben, z. B. für die zusätzlichen Abgeordnetenmitarbeiter. Diese stiegen von 2017 mit 631 MdB zum Jahr 2018 mit 709 MdB von 212,62 Mio. Euro auf 246,02 Mio. Euro. Also über 33 Mio. Euro mehr als im Vorjahr! Diese Angaben basieren auf Informationen, die mir die Bundestagsverwaltung, hier „Sekretariat Haushaltsausschuss“, gab.

3.) Wie wäre es, wenn ab 2022 den geplanten 598 MdB ein fester monatlicher Diäten-Betrag von sechs Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden würde, der nicht überschritten werden darf? Momentan erhält jedes MdB monatliche Diäten in Höhe von 10.012,89 Euro. Der monatliche Diäten-Betrag für genau 598 MdB müsste in zwölffacher Höhe im jährlichen Bundeshaushalt enthalten sein. Wenn dem nächsten Bundestag wieder 709 MdB angehören sollten, dann würde jedes MdB, sowohl die 598 „notwendigen“ als auch die 111 „überzähligen“ MdB entsprechend weniger Diäten erhalten. In Zahlen würde das für 2022 bedeuten: 10.033,44 Euro monatlich bei 598 MdB, aber nur noch 8.462,62 Euro bei 709 MdB. Und bei 800 MdB wären es sogar nur noch 7.500,00 Euro monatlich!

Wenn das kein Anreiz ist, das Bundestagswahlrecht endlich „fairnünftig“ zu regeln, dann hat die Mehrheit der MdB ganz viel nicht richtig verstanden.

Unabhängig von der Notwendigkeit der Reduzierung bzw. Vermeidung von Überhang- und Ausgleichsmandaten ist die immer wieder diskutierte Verlängerung der Legislaturperiode des Bundestages von vier auf fünf Jahre völlig indiskutabel. Denn seit wann kann man seinen „Arbeitsvertrag“ mit sich selbst verlängern? Außerdem würden dann einige andere Wahlen immer im selben Jahr wie die Bundestagswahl stattfinden, womöglich wie 2021 sogar am selben Tag, und damit an Bedeutung verlieren.(")

Welche Änderungen sind zu kommenden Bundestagswahl notwendig?

Welche Änderungen sind zu kommenden Bundestagswahl notwendig?


Text-Nummer: 147482   Autor: PM   vom 26.09.2021 um 14.02 Uhr

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