Ein Banner zum Geburtstag von Erich Mühsam

Lübeck: Archiv - 06.04.2022, 17.19 Uhr: Neugierig wurde von den Passanten die kleine Gruppe von Getreuen wahrgenommen, die sich am späten Mittwochvormittag an der Lübecker Puppenbrücke versammelt hatte. Lübecks Ex-Bürgermeister Michael Bouteiller und Ehefrau Mike machten sich an einem Fahnenmast zu schaffen und erprobten Bewegungsmöglichkeiten des Bautenzuges.

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Schließlich gelang es ein riesiges Banner aufzuziehen, das die hagere Gestalt eines Mannes zeigte mit der Inschrift: "Sich fügen, heißt lügen."

Erich Mühsam wurde hier geehrt, und man findet in den Nachschlagewerken, dass dieser "anarchistische deutsche Schriftsteller, Publizist und Antimilitarist", am 6. April 1878 in Berlin das Licht der Welt erblickte. Das Banner wurde in Sichtweite der Linden-Apotheke aufgezogen, denn dort hat Erich Mühsam Kindheit und Schulzeit verbracht. Sein Vater war dort Apotheker und gehörte lange Jahre der Lübecker Bürgerschaft an. "Hier ist er immer vorbeigelaufen, wenn er zur Schule ging", erläuterte Lienhard Böhning, der Vorsitzende der Erich Mühsam Gesellschaft den Mitgliedern und Freunden der Gesellschaft, die sich zu dieser kleinen Feierstunde bei Wind und Regen eingefunden hatten. Das war oftmals ein schwieriger Gang und damals hieß 'sich nicht fügen' auch ernste Konsequenzen zu tragen. Seinen Abschluss konnte Erich Mühsam auf dem Lübecker Katharineum nicht machen, er wurde seinerzeit von der Schule verwiesen.

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Heute wird sein Andenken neben Thomas Mann, Theodor Storm, Werner von Siemens und dem Philosophen Hans Blumenberg gleichrangig von der Schule bewahrt, gerade auch weil dem Heranwachsenden dort viel Unrecht angetan wurde. "Die Schüler beschäftigen sich heute mit Erich Mühsam", weiß Lienhard Böhning, "und das freut mich sehr."

Ulrich Pluschkell, als erster stellvertretender Stadtpräsident schloss sich mit einer Würdigung der Persönlichkeit von Erich Mühsam an. Sich dem Unrecht nicht zu beugen hat in diesen Tagen eine ganz besondere Bedeutung, wurde dabei allen Anwesenden klar.

Sogar ein Barde wurde aufgeboten. Volker Schauer hatte seine Gitarre dabei und stimmte sehr ernste Klänge aus dem jüdischen Liedgut an, die der kleinen Feierstunde einen äußerst würdigen Rahmen gaben. Auch ein Lied von Erich Mühsam selbst war dabei. "Sich fügen heißt lügen, erklang nun auch mit Instrument und Stimme und alle blickten dabei auf das riesige Banner mit dem Motto des Tages. "Nicht weglaufen", sagte Rosemarie Bouteiller, wir haben doch noch eine zweite Fahne. Die kunstvolle Zeichnung des Mühsam-Portraits mit Lebens- und Sterbedaten des großen Lübecker Literaten wurde dann auch noch aufgezogen. Gefügt hat er sich der Diktatur der Nationalsozialisten nie. Er wurde am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet.

Am Abend des 6. April 2020 wird in der Carlebach Synagoge der Erich Mühsam Preis feierlich vergeben. Der vom Galeristen Frank Thomas Gaulin gestiftete Preis wird in diesem Jahr postum an den Lübecker Gelehrten Rolf Verleger verliehen.

Im Original-Ton hören Sie Interviews von Harald Denckmann mit Lienhard Böhning, Vorsitzender der Erich Mühsam Gesellschaft, Preis-Stifter Frank Thomas-Gaulin und Musiker Volker Schauer.

Seit Mittwoch erinnert ein Banner an der Puppenbrücke an Erich Mühsam. Fotos, O-Ton: Harald Denckmann

Seit Mittwoch erinnert ein Banner an der Puppenbrücke an Erich Mühsam. Fotos, O-Ton: Harald Denckmann


Hier hören Sie den Originalton:

Text-Nummer: 150982   Autor: Harald Denckmann   vom 06.04.2022 um 17.19 Uhr

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