Gemeinnützige Arbeit: 3000 Tage Haft vermieden

Lübeck: Archiv - 11.04.2022, 10.35 Uhr: Es passiert immer wieder: Jemand kann eine Geldstrafe nicht bezahlen, zu der er oder sie verurteilt wurde – und auf einmal droht eine Haftstrafe. „Dabei sollte der Betroffene eigentlich nie ins Gefängnis“, sagt Daniela Trncevic, Leiterin der Vermittlungsstelle für gemeinnützige Arbeit. „Und dazu kommt, dass ein Haft-Tag den Steuerzahler rund 180 Euro kostet.“

Deshalb stehen Trncevic und ihr Team von der Vorwerker Diakonie in solchen Fällen zur Verfügung. „Wir unterstützen beispielsweise mit einer Tilgungsberatung oder einer begleiteten Ratenzahlung“, erläutert Trncevic. „Dabei stehen wir eng mit der Staatsanwaltschaft in Kontakt.“ Wenn das nicht klappt, kann die drohende Haft durch gemeinnützige Arbeit vermieden werden. „Wir helfen dann bei der Beantragung und vermitteln passende Einsatzorte in und um Lübeck.“

Der 47-jährige Peter H. ist einer von Trncevics Klienten. Er ist wegen versuchten Fahrraddiebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Da er aber seit einem Unfall nicht mehr arbeiten kann und Hartz-4-Empfänger ist, war er nicht in der Lage, die Raten zu zahlen. „Dass plötzlich Gefängnis drohte, war schon ein großer Schreck“, erinnert er sich. 40 Haft-Tage standen in Aussicht. Peter H. nahm Kontakt mit der Vermittlungsstelle auf. Seine Geldstrafe konnte in gemeinnützige Arbeit umgewandelt werden: 240 Stunden muss er nun ableisten. „Wegen der Pandemie und auch wegen der persönlichen Beeinträchtigungen, war es zunächst nicht einfach, eine geeignete Einsatzstelle zu finden“, so Trncevic. Jetzt aber fängt Peter H. in Kürze im Café W.U.T an, einer Begegnungsstätte für wohnungslose und bedürftige Menschen.

In 2021 hat das Team der Vorwerker Diakonie 366 solcher Vermittlungsaufträge bearbeitet. Insgesamt konnten rund 3.000 Haft-Tage vermieden werden. „Die Betroffenen werden dann als Hausmeisterhelfer tätig oder - wie Peter H. - in sozialen Projekten eingesetzt. Schön ist, dass manche bleiben können und dauerhaft Arbeit finden“, so Trncevic. „Die positiven Effekte gemeinnütziger Arbeit sind nicht zu unterschätzen, das hören wir immer wieder.“ Sie verweist darauf, wie einschneidend ein Gefängnisaufenthalt ist: „Peter H. würde seine Wohnung und seinen Hartz-4-Anspruch verlieren, ebenso seine sozialen Kontakte – also das Leben, das er sich eingerichtet hat. Nach der Haftzeit müsste er sich alles wieder neu aufbauen.“

Tatsächlich trifft diese Ersatzfreiheitsstrafe eher ökonomisch benachteiligte Personen als Vermögende. „Der rasende Sportwagenfahrer zahlt seine Geldstrafe direkt aus dem Portemonnaie. Der Hartz-IV-Empfänger, der sich kein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr leisten konnte und mehrfach ohne Fahrschein angetroffen wurde, kann auch die verhängte Geldstrafe nicht zahlen“, meint Trncevic. Auch Peter H. empfindet das als ungerecht. „Manche können sich aus dem Gefängnis frei kaufen, andere nicht“, meint er.

Zuletzt waren deswegen Forderungen laut geworden, beispielsweise den Öffentlichen Nahverkehr für bedürftige Menschen kostenfrei zu gestalten. „Diese Forderung unterstützen wir“, so Trncevic.

Kontakt

Vermittlungsstelle für Gemeinnützige Arbeit
Petrikirchhof 3, 23552 Lübeck,
Tel. 0451/4002-57440
vga@vorwerker-diakonie.de.

Peter H. und Daniela Trncevic vereinbaren in der Vermittlungsstelle einen neuen Beratungstermin. Foto: Melina Ottensmeier

Peter H. und Daniela Trncevic vereinbaren in der Vermittlungsstelle einen neuen Beratungstermin. Foto: Melina Ottensmeier


Text-Nummer: 151043   Autor: Melina Ottensmeier   vom 11.04.2022 um 10.35 Uhr

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