Ein Erlebnis: Mozarts Figaro

Lübeck: Archiv - 28.01.2023, 18.46 Uhr: Solch rundum stimmige Ereignisse sind hier rar geworden: „Le nozze di Figaro“ erlebte im Großen Haus eine lange nicht so ehrlich bejubelte Premiere – weil eine lange nicht so stimmig inszenierte Mozart-Oper zu erleben ist und die musikalische Seite ebenfalls das hohe Niveau hält: Am Ende gab es nur glückliche Gesichter im Publikum, auf der Bühne und im Orchestergraben.

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Liebe sind zwei Paar Schuhe, sagte sich Regisseur Stephen Lawless (der sein Können bereits mit Brittens „Owen Wingrave“ und „Albert Herring“ zeigte): Da ist die unverstellte Zuneigung, wie sie Figaro und Susanna verkörpern, und auf der anderen Seite der Machotrieb des Grafen. Dazwischen scheint für die Gräfin nur das Entsagen zu bleiben – wäre da nicht das umtriebige Dienerpaar... Lawless folgt den Gesetzen der Opera buffa mit Tempo und tausenderlei Einfällen, entfacht einen Wirbel voll großer Auftritte und vieler gestischer Nuancen, dass selbst dem Kenner manchmal der Atem stockt. Alles endet in befreiender Heiterkeit – was ein Glücksgefühl ergibt, wie es wahre Kunst auslöst.

Das stellt sich allerdings hier zumal in Verbindung mit der genialen Musik ein – wenn sie eben auch so prägnant gut gespielt wird wie von den Lübecker Philharmonikern unter Stefan Vladar. Zwar legte der GMD bei der Premiere ein wahnwitziges Tempo vor, das er von der Ouvertüre bis zur Pause beibehielt und manche Feinheit drosselte; doch bei allen überbetonten Sforzati blieb das Orchester stets auf Linie. Im 3. Akt siegten dann Gefühl und Harmonie, aus dem Duett Graf/Susanna („Mi sento dal contento“/„Scusatemi se mento“) strömte alle mozartische Innigkeit: Andrea Stadel ließ ihren Sopran makellos leuchten, Jacob Scharfman bekannte mit seinem klaren, noch viel Potenzial versprechenden Bariton seine Sinnlichkeit.

Es ist das große Plus dieser Inszenierung, dass sie bei aller amourösen Zielgerichtetheit delikat bleibt. Dabei assistiert Ausstatter Adrian Linford kongenial: Seine Kostüme sind stilsicher selbst in der Karikatur, seine Szene – flugs sich umwandelnde kleine Drehbühne mit der Beziehungskiste (sprich: Bett oder Alkoven) als sinnbildlichem Zentrum – entspricht der Leichtigkeit von Handlung und Musik. Alles stellt sich in den Dienst dieser Handlung, die Lawless wie am Schnürchen ablaufen und von der Musik tragen lässt.

Das tadellose Ensemble dominiert Florian Götz als strippenziehender Figaro mit kernigem Bariton; man merkt, dass er diese Partie aus dem ff beherrscht. Joo-Anne Bitter, der zweite Gast, bemüht sich um Contenance im Ränkespiel und bringt ihren weichen Sopran ein. Mit Laila Salome Fischer ist die Hosenrolle des Cherubino einmal mit einem reifen Sopran besetzt. Das Niveau, stimmlich wie in der humorigen Präsenz, halten Virgina Felicitas Ferencik und Runi Brattaberg (als Alt-Paar Marcellina/Bartolo), Natalya Bogdanova (Barbarina), Steffen Kubach (Antonio) und der komödiantische Noah Schaul (in der Doppelrolle Basilio/DonCurzio). Selten ist der von Jan-Michael Krüger sicher einstudierte kleine Chor so „individuell“ einbezogen worden, und unter den Kindern belegen die Rotschöpfe des Grafen „Dominanz“.

„Le nozze di Figaro“ 2023 im Großen Haus: Hier entsprechen Witz und Tempo der Inszenierung allem Gehalt dieser Opera buffa. Hier entspricht die musikalische Umsetzung (mit dem fein parlandierenden Takahiro Nagasaki am Hammerklavier) durch den Mozart-Versteher Stefan Vladar und die hellwachen Philharmoniker der Einzigartigkeit der comédie humaine. Dieser Abend beglückt mit seinen Arien und Ensembles – dank allen bestens disponierten Mitwirkenden, voran das Triumvirat Florian Götz, Jacob Scharfman und die so souveräne Andrea Stadel.

Die Inszenierung hatte am Freitagabend Premiere im Großen Haus. Fotos: Olaf Malzahn

Die Inszenierung hatte am Freitagabend Premiere im Großen Haus. Fotos: Olaf Malzahn


Text-Nummer: 156399   Autor: Güz.   vom 28.01.2023 um 18.46 Uhr

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