Philharmoniker mit russischer Seele

Lübeck: Archiv - 05.02.2023, 18.10 Uhr: Für das 5. Sinfoniekonzert hatte GMD Stefan Vladar zwei Brocken gewählt: Rachmaninows 3. Klavierkonzert und Tschaikowskys 6. Sinfonie – und damit offensichtlich beim Publikums großes Interesse geweckt. Denn die Schlange an der Tageskasse war so lang, dass nicht pünktlich begonnen werden konnte. Der Technik von NDR Kultur wird das Probleme bereitet haben: Denn das Konzert wurde live übertragen und endete nicht im vorgesehenen Zeitfenster, sondern erst zehn nach Eins.

Kollege Arthur Rubinstein hat Sergej Rachmaninows „Drittes“ einmal ein „Elefantenkonzert“ genannt – so komplex ist der Klavierpart, bei dem der Interpret in den gut 40 Minuten kaum jemals die Hände von den Tasten nimmt, sondern vollgriffig ins häufig rhapsodische Geschehen integriert ist. Als Solisten hat Vladar den Rachmaninow-Exegeten Anatoly Lugansky gewinnen können: Der 50jährige Moskauer kommt derzeit seinen Engagements u. a. auch in Wien und Paris nach – und leistete nun in Lübeck Schwerstarbeit: Mit Akkord-Forderungen setzte er sich gegen das komplexe Orchester durch, tupfte dann wieder visions fugitives und nahm Zuspielungen der Bläser-Soli mit Akkkord-Forderungen entgegen. Auch im Intermezzo ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen, meditierte geradezu mit seinem Solo-Sinnen. Über markante Staccati ging es ins Finale, den Satz mit den melodischsten Passagen und den Arpeggien auf Horn-Zuspiel (Anton Schultze). Das Finale aus einem Guss, nun mit feiner Brillianz – das Auditorium bewunderte einen Meister, jubelte ihm zu und erhielt eine leise Rachmaninow-Zugabe.

Peter Tschaikowskys 6. Sinfonie, die „Pathétique“, ist ebenfalls ein Ohrwurm. Nach dem fast klagenden Beginn ging Stefan Vladar auf die melodische Strecke, bis Streicher und Hörner erste Seufzer intonierten. Als sich das Geschehen ein wenig dem Frohgemuten zuwandte, waren manche Bläser sich nicht ganz einig. Nun entwickelte Vladar das große sinfonische Gemälde mit den Eindruck machenden Kontrasten, was nicht immer ein geschlossenes Hörbild ergab. Bewegt und geradezu luftig bot er den zweiten Satz mit der Cello-Kantilene. Zu schnell kam der der Einstieg (das war schon ein Vivacissimo) in den dritten – doch technisch bravourös von allen gemeistert. Und ehe das Publikum dem vermeintlichen Finale applaudieren konnte, leitete der GMD über ins Lamentoso, diesem Abgesang mit Violinen-Sehnsucht auf der Basisdemokratie der Celli und Bässe.

Zwei Großwerke der Spätromantik, geboten mit großem Engagement und vielen eindringlichen Momenten, lösten große Begeisterung aus im Sonntagskonzert. Da kann den Säumigen nur geraten werden, Pianist Lugansky, GMD Vladar und Lübecks Philharmoniker im Montagskonzert (19.30 Uhr in der MuK) zu erleben.

Hoffentlich folgen dieser zweiten NDR-Übertragung weitere, um viele Menschen die Lübecker Qualität hören zu lassen. Und sollte es eine zweite Ausstrahlung dieses Konzerts geben, sollte sie rechtzeitig publiziert werden.

GMD Stefan Vladar löste mit dem Konzert Begeisterung aus. Foto: Wolfgang MAxwitat/Theater Lübeck

GMD Stefan Vladar löste mit dem Konzert Begeisterung aus. Foto: Wolfgang MAxwitat/Theater Lübeck


Text-Nummer: 156573   Autor: Güz.   vom 05.02.2023 um 18.10 Uhr

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