Protest gegen Umbau des Buddenbrookhauses

Lübeck: Archiv - 09.02.2023, 15.07 Uhr: Am Donnerstag kam Ministerpräsident nach Lübeck. Er hatte einen Förderbescheid über fast 20 Millionen Euro für den Umbau des Buddenbrookhauses dabei. Empfangen wurde er von Demonstranten verschiedener Parteien und Mitgliedern der Bürgerinitiative Rettet Lübeck (BIRL).

Die BIRL begründet ihren Protest gegen die Maßnahme ausführlich:

(")Anlässlich der großzügigen Landesförderung, die dem Museumsneubau zuteilwerden soll, muss das Augenmerk neben der unglücklicherweise mitfinanzierten Denkmalzerstörung von vier Gewölbefeldern und ihrem dazugehörigen Pfeiler aus dem 13. Jahrhundert auch allgemein auf die Kostenseite gelenkt werden:

Nach der letzten Mitteilung des früheren Leiters der Lübecker Museen im Herbst des vergangenen Jahres beläuft sich die Kostenschätzung für den Neubau des Museums Buddenbrookhaus inzwischen auf 38 Millionen Euro. Der für 2017 geplante Eröffnungstermin für das neue Museum wurde wiederholt verschoben und wird nun 2027 erwartet.

Unabhängig von dem tatsächlich erreichten Eröffnungszeitpunkt darf bei weiter steigenden Baukosten davon ausgegangen werden, dass die Gesamtkosten des Vorhabens mindestens 50 Millionen Euro erreichen werden. Die allgemeinen Baukosten sind gemäß Baukostenindex im Jahr 2021 um 14 Prozent, im Jahr 2022 allein um 17 Prozent gestiegen, eine deutliche Abschwächung des Trends ist nicht in Sicht.

Aus der selbst erteilten denkmalrechtlichen Genehmigung des Bürgermeisters geht hervor, dass die zukünftigen Ausstellungsflächen ca. 1.000 m² umfassen sollen. Das bedeutet, dass für einen Quadratmeter nutzbare Ausstellungsfläche abenteuerliche 50.000 Euro an Kosten entstünden. Ein solches Kostenvolumen stellt gerade in der heutigen Zeit eine niemanden zu vermittelnde Verschwendung von Steuergeldern dar. Diese Mittel sollen ein überbordendes museumspädagogisches Konzept verwirklichen, welches bei derzeit 2 Mio. Übernachtungsgästen p. a. in den Jahren 2015 bis 2019 im Schnitt lediglich 35.000 Besucher p. a. angelockt hat. Diese Zahlen belegen, dass nur ein verschwindend geringer Teil der Bevölkerung an diesem Museum ein Interesse hat. In diesem Zusammenhang von einem „touristischen Leuchtturmprojekt“ zu sprechen, ist abwegig.

Ein solches Kostenvolumen, insbesondere die Kosten in Relation zum Nutzen, verdeutlicht den gänzlichen Verlust eines Gefühls für Maß und Mitte bei den Initiatoren des Projekts. Eine kleine Großstadt wie Lübeck mit seiner maroden Verkehrsinfrastruktur, ihren zahlreichen erneuerungsbedürftigen Brücken und renovierungsbedürftigen Schulen sowie seinen klimapolitischen Zielen setzt mit einem „Protzbau“ allein zur persönlichen Zier seiner Schöpfer ein gänzlich falsches Signal. Das Projekt stellt selbst Skandale wie den Neubau des Bischofssitzes für den Limburger Bischof Tebartz-van Elst in den Schatten.

Für das Ziel einer Museumserweiterung durch Einbeziehung eines zweiten Hauses wäre ein Kostenrahmen von maximal 5.000 Euro je m² Bruttogrundfläche und rund 10 Mio. Gesamtkosten bei maximal 2.000 m² Gesamtfläche (BGF) angemessen. Schließlich handelt es sich um ein Literaturmuseum ohne kostspiele und nur unter schwierigen Bedingungen präsentierbare Ausstellungsstücke. Gegenstand der Präsentation soll der authentische Ort der Handlungen im Buddenbrook-Roman sein und die Lebensgeschichte der Familie Mann, die in Bild und Text in völlig anspruchslosen Räumen vermittelt werden kann.

Dass 38 Mio. Steuermittel und quasiöffentliche Stiftungsmittel ausgegeben werden sollen, ist allein beschämend. Die Stadtverwaltung und auch die Politik tun sich sehr schwer, Kleinkünstler und überhaupt bürgerliches ehrenamtliches Engagement in der Kunst zu unterstützen und zu fördern, wenn es mal um 1.000 € für eine Anschubfinanzierung für einen Atelier, um eine günstige Miete für eine Veranstaltung oder ein Kunstkollektiv oder um die Überlassung von maroden Liegenschaften mit einem Verkehrswert von 30.000 € geht.

Bei „Leuchtturmprojekte“ genannten Großvorhaben wie dem Europäischen Hansemuseum oder dem „Neuen Buddenbrookhaus“ spielen Kosten dagegen keine Rolle. Einen Blick über den Tellerrand bietet allein die Machbarkeitsstudie mit der das „Neuen Buddenbrookhaus“ eigentlich positiv verkauft werden sollte. Die auswärtigen sogenannten „Good-practice-Beispiele weisen folgende Kennzahlen auf:

Investition pro m² Nfl.: 3.724 bis 6.260 €/m²
Investition pro m² Ausstellungsfläche: 9.182 bis 19.636 €/m2
Investition pro Jahresbesucher: 125 bis 440 €/Besucher

Die Werte für das Buddenbrookhaus-Projekt liegen dagegen bei 38. Mio. Euro Gesamtkosten nach Schätzung vom vergangenen Jahr wie folgt:

Investition pro m² Nfl.: 13.000 €/m²
Investition pro m² Ausstellungsfläche: 40.000 €/m²
Investition pro Jahresbesucher: 760 € (bei bei 50.000 Besuchern, Jahresdurchschnitt der letzten Jahre vor Corona = rund 35.000)

Manfred Finke
Detlev Holst(")

Vor dem Buddenbrookhaus wurde gegen den Umbau demonstriert. Foto: Harald Denckmann

Vor dem Buddenbrookhaus wurde gegen den Umbau demonstriert. Foto: Harald Denckmann


Text-Nummer: 156664   Autor: BIRL/red.   vom 09.02.2023 um 15.07 Uhr

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