Für den Frieden beten

Lübeck: Archiv - 25.02.2023, 08.49 Uhr: Pastorin i.R. Ellen Naß beschäftigt wie viele Menschen der Krieg in der Ukraine. Das Thema ist auch in kirchlichen Kreisen umstritten. Aus der Bibel stammen die Worte "Schwerter zu Pflugscharen". Aber stimmt das auch in jedem Fall?

Gestern haben wir einen traurigen Jahrestag begangen: Es ist ein Jahr her, dass Russland die Ukraine angegriffen hat. Wochenlang hatten wir vorher von russischen Truppenaufmärschen entlang der Grenze gehört, dann wurden die Truppen angeblich zurückgezogen, dann wieder doch nicht. Am 24. Februar morgens war es traurige Gewissheit: Russland hatte einen Krieg begonnen. Bis dahin hatte auch ich geglaubt, dass es Drohgebärden wären, dass der Frieden bleiben würde.

Jetzt, ein Jahr später, haben wir uns fast daran gewöhnt, an die Bilder aus der U-Bahn in Kiew, die verzweifelten Frauen und Kinder, die nach Polen, Deutschland und anderswohin flüchteten, die zerbombten Häuser, Krankenhäuser, Schulen. Schreckliche und unfassbare Kriegsverbrechen sind von russischen Soldaten begangen worden, bei uns ist immer noch die Angst da, dass der Krieg auch nach Deutschland kommen könnte.

Vor einem Jahr sah es so aus, als würde alles schnell vorbei sein: Eine 40 km lange Panzerkolonne wälzte sich auf Kiew zu, Russland ist groß, die Ukraine klein. Trotzdem kam alles ganz anders: nach einem Jahr wehrt sich die Ukraine immer noch, auch dank westlicher Waffenlieferungen, niemand weiß, wie es ausgehen wird – und wie es weitergehen soll. David gegen Goliath – ein ganzes Jahr lang.

Auch die Mitglieder und Leitungspersonen unserer Kirche sind unterschiedlicher Meinung. Erst einmal ist das gut, dass diskutiert werden kann und nicht von oben bestimmt wird, was man zu glauben und zu denken hat. Andererseits macht es das Zusammenleben schwer.

In der Bibel gibt es unterschiedliche Aussagen und Haltungen zu Krieg und Kampf. „Du sollst nicht töten“, lautet das 5. Gebot, das uns schon in der Zeit des Alten Testaments gegeben wurde. Das scheint eindeutig zu sein – andererseits ist gerade dieses Buch der Bibel voll von Kämpfen und Kriegen, und Gott beschützt Sein Volk ganz selbstverständlich auch im Krieg, ist stark. Es gab die große Hoffnung auf Frieden weltweit und für immer, das Motto der Bürgerrechtsbewegung der DDR „Schwerter zu Pflugscharen“ stammt aus diesem Buch.

Jesus hat gesagt: „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“. Er lebte als Jude in einem besetzten Land, die Römer brachten nicht nur ihre Kultur, sondern auch Unterdrückung und Brutalität. Als einheimischer Jude hatte man gegen die römischen Soldaten keine Chance, so dass es ein guter Rat war. Geholfen hat er ihm selbst aber nicht – er wurde brutal gefoltert und hingerichtet. Das haben wir im letzten Jahr ja auch erleben müssen, dass unschuldige Zivilisten brutal gefoltert und getötet wurden.

Andererseits sollen wir Menschen in Not helfen, auch das wird in der Bibel, wird von Jesus immer wieder gefordert. Die Ukrainer und Ukrainerinnen sind in Not, daran gibt es keinen Zweifel. Dass wir helfen müssen als Christen und Christinnen steht fest, die Frage ist nur wie: durch Waffenlieferungen oder durch die Forderung nach Kapitulation und dem Ertragen, was danach kommt. Wie schrecklich das vermutlich sein wird, kann man in den zurückeroberten Gebieten sehen.

Beide Gruppen können ihre Ansichten biblisch begründen, die Frage ist nur, was für die jeweilige Person schwerer wiegt. Da ich nicht unter russischer Herrschaft leben möchte, will ich es auch niemandem anders zumuten, meine, dass man helfen muss, dass andere es nicht ertragen müssen. Das Problem ist, dass sich jeder entscheiden muss, so oder so. Man kann nicht beide Auffassungen befolgen.

Eines aber können wir als Christen und Christinnen gemeinsam tun: Beten für die geschundenen Menschen in der Ukraine – und auch in Russland – und beten für einen Frieden, der allen ein Zusammenleben in Frieden und Freiheit möglich macht.

Pastorin i.R. Ellen Naß ruft zu Gebeten für den Frieden auf.

Pastorin i.R. Ellen Naß ruft zu Gebeten für den Frieden auf.


Text-Nummer: 156979   Autor: red.   vom 25.02.2023 um 08.49 Uhr

Text teilen: auf facebook +++ auf X (Twitter) +++ über WhatsApp

Text ausdrucken. +++  Text ohne Bilder ausdrucken.


Please enable / Bitte aktiviere JavaScript!
Veuillez activer / Por favor activa el Javascript![ ? ]