Begeisternd: Brahms-Klavierkonzerte in der MuK

Lübeck: Archiv - 05.03.2023, 12.49 Uhr: Die Ankündigung zweier Solitäre – der beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms – an einem Abend: Ist das nicht zuviel des Guten? Es wurde ein üppiges Mahl, doch auch ein höchst bekömmliches, was Martin Helmchen und die NDR-Radiophilharmonie unter Andrew Manze in der MuK servierten, und zugleich der beste Auftritt der Hannoveraner und ihres Chefs in Lübeck, wohin sie bislang als SHMF-Platzhalter gekommen waren.

Allerdings schreckte der Auftakt: Manze bot im d-Moll-Konzert op. 15 statt des Maestoso ein übersteuertes Energico mit Tempo-Wellen – soviel Gefühl legte er hinein. Da er aber Brahms nicht nur liebt, sondern auch kann, ebenso wie Helmchen, fanden beide nach dem versonnenen ersten Solo-Thema immer besser in einen Gleichklang. Und nach den feinen Passagen mit der Oboen-Kantilene (Johanna Stier) packte Helmchen zu, führte das Auditorium durch die selbstgesprächige Quasi-Kadenz mit dem Horn-Echo (Ivo Dudler), legte alles Gefühl frei, das der Komponist hier eingewickelt hat. Extrem langsam führte Manze durch das Adagio, dem Helmchen feinfingrig eine wundersame Ruhe gab. Im Rondo schlug der Dirigent ein ungewohnt schnelles Tempo an: Bei den heutzutage technisch so versierten Musikern ist das vertretbar, da nichts vom Gehalt und Charme der Kompositiion verlorenging und Helmchen das Final-Solo mit aller Transparenz bot.

Der d-Moll-Kraftakt war nach der Pause anfangs noch zu spüren, da nun im B-Dur-Konzert op. 83 nach dem Horn-Ruf der Tutti-Einstieg überkräftig geriet: Andrew Manze ging recht streng zu Werke. Und Martin Helmchen musste die Spannung in sich wieder aufbauen. Aber nach den schwebend leichten Arpeggien fand er im Dialog mit dem Solohorn wieder die Linie, und alle fanden zusammen zum forcierten Finale des 1. Satzes, zum bewegten Fließen des Allegro appassionato. Auf diesen Höhepunkt folgte das schlichte Andante mit dem bewegenden Cello-Solo (Nikolai Schneider) – und ein Finale, an dessen Freude auch Brahms seine helle Freude gehabt hätte: Wie Martin Helmchen so frohlocker leicht den Flügel „all ongarese“ singen und Andrew Manze ihn vom Orchester tragen ließ, war voller Feinheiten und Leichtigkeit.

Diese Musik begeistert. Ergo ließ das Auditorium in seinem Beifall nicht nach, bis der eigentlich ausgepowerte Solist noch eine Zugabe spielte – einen fast verinnerlichten Monolog des späten, reifen Brahms. - Und wer richtig Anteil genommen hat, dem wurde nachher bewusst, dass beide so kompakte Konzerte an einem Abend zuviel des Guten waren.

Andrew Manze war mit der NDR-Radiophilharmonie am Samstagabend in der Lübecker MuK zu erleben. Foto: NDR/Micha Neugebauer

Andrew Manze war mit der NDR-Radiophilharmonie am Samstagabend in der Lübecker MuK zu erleben. Foto: NDR/Micha Neugebauer


Text-Nummer: 157127   Autor: Güz.   vom 05.03.2023 um 12.49 Uhr

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