Seinem eigenen Dämon begegnen

Lübeck: Archiv - 15.04.2023, 09.33 Uhr: Pastorin i.R. Ellen Naß greift in ihren Gedanken zum Wochenende den Predigttext in den evangelischen Kirchen auf. Es geht um die eigene Schuld und Gedanken, die zu schlaflosen Nächten führen können.

Morgen im Gottesdienst wird ein sehr alter Bericht als Predigttext vorgeschlagen. Vielleicht kennen Sie die Geschichte ja noch aus dem Schulunterricht oder dem Kindergottesdienst. Im Alten Testament wird erzählt, wie Jakob seinen Zwillingsbruder um das Recht bringt, der Erstgeborene zu sein und wie er – mit der Hilfe seiner Mutter Rebekka – ihn auch noch um den Segen seines Vaters bringt. Esau schwört Rache und Jakob flieht weit weg zu seinem Onkel. Dort heiratete er dessen zwei Töchter (Vielehe war damals anscheinend noch möglich) und wurde reich.

Schließlich überwog das Heimweh, er wollte wieder zurück in die Heimat. Mit seinen zwei Ehefrauen, deren Sklavinnen und Sklaven, mit Schafen und Ziegen zog er zurück. Dabei musste er natürlich auch Flüsse und Bäche überqueren. Nachdem er den Bach Jabbok mit seinem gesamten Hausstand durchzogen hatte, ging Jakob merkwürdigerweise in den frühen Morgenstunden wieder zurück zu der Furt, durch die sie gerade gezogen waren.

Ich kann verstehen, dass er nicht schlafen konnte. Natürlich war er inzwischen ein gestandener Mann mit Frauen, Kindern und vielen Dienern und Dienerinnen und Tieren – aber das Wiedersehen mit seinem Bruder, den er so hintergangen und ja letztlich auch um Besitztümer gebracht hatte, das könnte jedem von uns den Schlaf rauben.

Denn so fremd uns diese Erzählung sein mag, so alt sie auch sein mag, wir kennen alle die Nächte, in denen wir nicht schlafen können, in denen uns tausend Gedanken und Ängste durch den Kopf gehen, so, wie es hier von Jakob berichtet wird.

Da wird man irgendwann nach Mitternacht wach und liegt im Bett und macht sich Sorgen. Man findet Lösungen für alles mögliche, nimmt sich vor, Dinge zu regeln. Irgendwann schläft man wieder ein – und tut am nächsten Tag nichts von all den guten Ideen, die man sich vorgenommen hat. Das soll auch gut so sein, ich habe mal gelesen, dass diese wunderbaren Ideen, die man mitten in der Nacht hat, ganz besonders schlecht sind und wenig hilfreich.

Als Jakob an der Furt des Flusses ankommt, da ist da jemand, ein Mann, der mit ihm ringt, mit ihm kämpft. Alttestamentliche Wissenschaftler sind sich nicht sicher, und es bleibt auch merkwürdig in der Schwebe, wer da eigentlich versucht, ihn niederzuringen, ob es Gott ist, ob es ein Engel ist, einige meinten sogar, dass hier ein alter, vorjüdischer Glauben durchschimmert und so eine Art Flussgott oder Dämon ihn nicht durch das Wasser gehen lassen will.

Ich glaube, dass Jakob hier seinem eigenen Dämonen begegnet. Er begegnet seinen Schuldgefühlen gegenüber Esau, seiner Angst vor der Begegnung mit dem Bruder nach so vielen Jahren, der Befürchtung, dass Esau ihm etwas antut.

Aber er begegnet auch Gott. Denn er kann seinen Gegner nicht niederringen, er hat keine guten Einfälle, wie man alle seine Probleme lösen kann. Er kann sich nur festhalten an dem, der ihm da begegnet ist, ihn um seinen Segen, seine Hilfe bitten. Der Gegner verletzt ihn, Jakob hinkt seitdem. Solche nächtlichen Kämpfe hinterlassen Spuren, wenn auch nicht immer sichtbare. Und er wird umbenannt, aus „Jakob“ wird „Israel“.

Jakob hält seinen Gegner fest, im Morgengrauen entschwindet der. Jakob zieht weiter mit seiner Familie, versöhnt sich mit seinem Bruder. Er gilt als einer der Stammväter Israels, das Volk, das nach diesem Ereignis benannt ist.

Wenn wir nachts schlaflos liegen und Pläne wälzen, dann werden nicht solche großen geschichtlichen Ereignisse daraus entstehen. Aber wenn wir – auch um diese Uhrzeit – an Gott festhalten, Ihn um seinen Segen bitten, dann wird auch unseren schlaflosen Nächten Gutes, Segen entstehen.

Pastorin i.R. Ellen Naß greift in ihren Gedanken zum Wochenende die biblische Geschichte der Zwillingsbrüder Esau und Jakob auf.

Pastorin i.R. Ellen Naß greift in ihren Gedanken zum Wochenende die biblische Geschichte der Zwillingsbrüder Esau und Jakob auf.


Text-Nummer: 157975   Autor: red.   vom 15.04.2023 um 09.33 Uhr

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