Gedanken zum 1. Mai

Lübeck: Archiv - 29.04.2023, 10.29 Uhr: Der Tag der Arbeit ist zwar kein christlicher Feiertag, aber Pastorin i.R. stellt in trotzdem in den Mittelpunkt ihrer Gedanken zum Wochenende. Auch in der Bibel spiele eine Bezahlung eine Rolle, die ein würdevolles Leben ermögliche.

Übermorgen haben wir einen zusätzlichen Feiertag: den 1. Mai. Als ich noch gearbeitet habe, habe ich mich immer gefreut. Der 1. Mai ist kein kirchlicher Feiertag, und damit hatte ich auch als Pastorin frei. Weihnachten und Ostern sind ja eher Hauptarbeitstage bei uns in der Kirche, der 1. Mai und der 3. Oktober sind die einzigen Ausnahmen.

Für viele von uns ist der 1. Mai genau das: ein zusätzlicher freier Tag, in diesem Jahr sogar als langes Wochenende, und alle hoffen wir auf schönes Wetter. Dabei haben uns die letzten Jahre gezeigt, wie wichtig es ist, dass Arbeitnehmer Rechte haben und diese Rechte auch wahrnehmen.

In der Bibel begegnen auf den ersten Blick wenig Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die ersten Christen glaubten, ihre Welt würde bald untergehen, da macht man sich um gerechten Lohn und Arbeitsbedingungen wenig Gedanken.

Jesus erzählt in einem Gleichnis einmal von einem Arbeitgeber, einem Weinbergsbesitzer. Er sucht am Morgen Lohnarbeiter für die Traubenlese und stellt einige ein – zu dem damals üblichen Lohn. Er hat nicht genügend eingestellt, deshalb geht er noch einmal los, noch einmal und noch einmal. Selbst eine Stunde vor Arbeitsschluss stellt er noch Menschen ein – allerdings alle die späteren, ohne über die Höhe der Bezahlung zu verhandeln.

Am Ende des Tages bezahlt er seine Lohnarbeiter aus – zuerst diejenigen, die er als letzte eingestellt hat. Alle bekommen das gleiche Geld, den Tageslohn, den er mit der ersten Gruppe ausgemacht hatte. Das Geld ermöglichte damals das Überleben, weniger hätte die Menschen hungern lassen. Die am längsten gearbeitet haben sind entsetzt – als die anderen den vollen Betrag erhielten, hatten sie auf mehr gehofft.

Natürlich geht es in der Erzählung eigentlich nicht um Lohnhöhen und Berufe. Gott ist der Weinbergbesitzer, und was Jesus sagen will, ist, dass Er uns alle gleich behandelt: Martin Luther oder Dietrich Bonhoeffer haben bei Gott nicht mehr und nicht weniger Ansehen als Menschen, die völlig unauffällig ihren Glauben leben oder vielleicht sogar erst am Ende ihres Lebens verstanden haben, wer Gott ist und was sie Gott alles verdanken.

Trotzdem erleben wir in dieser Erzählung etwas von der Arbeitswelt der „kleinen Leute“ zur Zeit Jesu. Die Bezahlung war so, dass sie von der Hand in den Mund lebten, wenn sie an einem Tag keine Arbeit fanden, dann hungerten sie. Auch bei uns gibt es ja viele, die trotz Arbeit noch aufstocken müssen, zur Tafel gehen müssen, weil das, was sie verdienen, einfach nicht reicht.

Der Weinbergbesitzer bezahlt seinen Arbeitern genug, dass sie in Würde ohne fremde Hilfe überleben können. Er bezahlt selbst diejenigen so, die nicht viel gearbeitet haben, so dass die anderen sich ungerecht behandelt fühlen. Man weiß nicht einmal, warum er die letzten erst so spät eingestellt hat – ob er einfach dachte, er braucht nicht so viele Arbeiter oder ob sie noch nicht vor Ort waren, erst später zum Treffpunkt gekommen sind.

Für Jesus ist es selbstverständlich, dass Menschen in Würde von ihrer Arbeit leben können. Deshalb ist es so wichtig, dass es Arbeitnehmerrechte gibt, ein Streikrecht gibt. Auch aus christlicher Sicht ist es wichtig, weil Gottes Willen befolgt wird, wenn wir Arbeitende so bezahlen, dass sie davon leben können. Manchmal ist es anstrengend, wenn plötzlich Busse und Bahnen nicht mehr fahren, Kindertagesstätten schließen. Trotzdem sollten wir dankbar sein, dass es bei uns nicht viele Menschen gibt, die mehrere Arbeitsstellen haben und trotzdem im Auto schlafen müssen, weil sie keine Miete bezahlen können - obwohl ein einziger im Land schon zu viel ist.

Der 1. Mai ist kein kirchlicher Feiertag, aber ein wichtiger Tag, auch für Christen: Wir sind aufgerufen, immer wieder für gerechte und menschenwürdige Arbeitsverhältnisse zu sorgen, damit wir alle gut leben können.

Pastorin i.R. Ellen Naß setzt sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen ein.

Pastorin i.R. Ellen Naß setzt sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen ein.


Text-Nummer: 158297   Autor: red.   vom 29.04.2023 um 10.29 Uhr

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