HGH-Retter kritisieren Kandidaten-Rede

Lübeck - Innenstadt: Archiv - 02.08.2023, 10.12 Uhr: In seiner Bewerbungsrede als Bürgermeisterkandidat der SPD äußerte sich Jan Lindenau auch zur Senioreneinrichtung Heiligen-Geist-Hospital (Wir berichteten). Darauf reagiert die Initiative „Rettet das HGH“ jetzt mit einer langen Erklärung.

Die Erklärung der Initiative „Rettet das HGH“ im Wortlaut:

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Offenbar nimmt Herr Lindenau es bei seinen Ausführungen zum HGH mit den Fakten nicht so genau. Die Initiative greift exemplarisch sieben Behauptungen aus seiner Rede heraus, deren Wahrheitsgehalt auch durch ständige Wiederholung nicht steigt.

1) Der Bürgermeister behauptet, dass er die Zahl der Pflegeplätze deutlich ausweiten will. Das ist falsch. In der Vorlage zu TOP 9.25 der Bürgerschaftssitzung am 24.11.2022 wird dargestellt, dass durch die angestrebte Schließung des HGH 77 Plätze entfallen sollen. Erst 2029, also zum Ende der Amtszeit des künftigen Bürgermeisters, wird die heutige Zahl an Pflegeplätzen wieder erreicht. Ohne die vorübergehende Verlängerung des Betriebs im maroden Behnckenhof bis mindestens 2030, die Herr Lindenau als sein Verdienst preist, würden noch 123 weitere Pflegeplätze entfallen. Herr Lindenau weiß gewiss, dass seine Verwaltung den in der Beschlussvorlage genannten Zeitplan heute schon als nicht erreichbar ansieht. Aber er verschweigt dies und ebenso, dass er mit seiner Absicht, das HGH zu schließen, Pflegeplätze vernichtet.

2) Der Bürgermeister stellt in Abrede, dass er die Schließung der Senioreneinrichtung im HGH entschieden hat. Das ist falsch. Laut Besprechungsvermerk vom 10.06.2022 hat der Bürgermeister entschieden, dass angesichts der geschätzten Investitionskosten die Einrichtung nicht länger wirtschaftlich betrieben werden kann und die Planungen für die Sanierung gestoppt werden. Er hat allerdings nicht mit dem anhaltenden Widerstand von Politik und Betroffenen gerechnet, so dass gegen seinen Willen die HGH-Schließung nun Thema im Wahlkampf für die Bürgermeisterwahl ist.

3) Der Bürgermeister behauptet, er habe durch die Investition von mehreren Hunderttausend Euro eine drohende kurzfristige Schließung verhindert. Das ist falsch. Anstatt in Brandschutzmaßnahmen zu investieren, die seit 2019 von Feuerwehr und Bauaufsicht gefordert werden, zum Beispiel Brandmeldezentrale („BMZ“) und Löschwasser-Steigleitungen, hat der Bürgermeister monatelang laufende Kosten für Brandwachen erzeugt. So heißt es im Besprechungsvermerk vom 05.09.2022: „Auf die Erneuerung der BMZ kann unter der Voraussetzung verzichtet werden, dass … die Nutzung im 3. Quartal 2023 aufgegeben wird.“
Also wurde allein aus wirtschaftlichen Gründen auf den notwendigen Brandschutz verzichtet, weil man die Einrichtung ja schließen wollte. Die Behauptung, mangelnder Brandschutz erzwinge die Schließung, stellt die Dinge auf den Kopf.

4) Der Bürgermeister behauptet, dass die Qualität der Pflege im Heiligen-Geist-Hospital „nicht menschenwürdig“ sei. Das ist falsch und zeugt von grober Unkenntnis der Materie. Immer wieder wird dem Heiligen-Geist-Hospital und seiner Pflegemannschaft beste Pflegequalität bescheinigt. Die von ihm erwähnten Zimmer mit Stufen (es sind genau 5 von 67 Zimmern mit jeweils 3 Treppenstufen und beidseitigem Geländer) sind wegen ihrer speziellen Atmosphäre besonders begehrt und werden nur von mobilen Menschen bewohnt. Es ist Herrn Lindenaus freie Erfindung, dass dort immer zwei Pflegepersonen den Bewohnern in den Fernsehsessel helfen müssten. Da ist seine Fantasie mit ihm durchgegangen.

5) Der Bürgermeister bringt als scheinbare Alternative zum Heiligen-Geist-Hospital das Marienkrankenhaus ins Spiel. Er verschweigt dabei, dass ein Antrag, eine Alternative für das HGH zu suchen, von der Bürgerschaft abgelehnt wurde. Aber er will dort kräftig investieren, ohne den Investitionsbedarf abschätzen zu können – vorsichtshalber nennt er auch keine Zahl. Und Herr Lindenau sagt nicht, woher er die Mittel dafür nehmen will, die er ja gerade für die Sanierung des HGHs als noch nicht einmal gesichert ansieht. Und er verschweigt, dass zum von ihm geplanten Zeitpunkt der Schließung des HGH das MKH noch gar nicht zur Verfügung stehen kann. Es ist zudem völlig ungewiss, ob ein Mietvertrag zwischen dem Eigentümer des MKH und der Stadt überhaupt zustande käme. Wenn überhaupt, dann könnte das Marienkrankenhaus frühestens in ferner Zukunft vielleicht das Angebot an stationären Pflegeeinrichtungen in der Altstadt ergänzen; ein Ersatz für das HGH ist es dagegen weder zum jetzigen Zeitpunkt noch in der Zukunft.

6) Der Bürgermeister behauptet, die Stadt müsse für die Sanierung der Pflegeeinrichtung im HGH 30 bis 40 Millionen Euro für 70 Pflegeplätze investieren, während „in der Fläche“ nur eine halb so hohe Investition erforderlich sei. Das ist falsch, in mehrfacher Hinsicht. Erstens handelt es sich um 77 (nach der Sanierung wieder um 80) Pflegeplätze, nicht nur 70. Zweitens schlägt er auf die bisher bekannte grobe Schätzung mal eben 10 Millionen Euro obendrauf, obwohl in den bisher genannten 30 Millionen Euro bereits eine Teuerungsentwicklung eingepreist ist. Drittens ist nur ein Bruchteil dieser Kosten pflegeeinrichtungsspezifisch. Der weitaus größte Teil muss in jedem Fall investiert werden, egal welche Nachnutzung für das HGH vorgesehen wird. In Wahrheit ist es also kostengünstiger, die Pflegeplätze im HGH zu erhalten als sie am Stadtrand neu zu bauen. Viertens verschweigt er die immensen Kosten und Einnahmeverluste, die durch den von ihm vorgesehenen jahrelangen Leerstand der Gebäude entstehen.

7) Der Bürgermeister sagt, die Miete im sanierten HGH werde bei 30 bis 40 Euro pro Quadratmeter liegen. Das ist eine unseriöse Behauptung. Herr Lindenau kann den exakten Umfang der Sanierungsarbeiten noch nicht kennen, denn der Architekt arbeitet noch bis in den Herbst hinein an der Planung gemäß der beauftragten Leistungsphase 2 der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure). Ihm können daher momentan noch keine belastbaren Kostenberechnungen vorliegen. Kostenträger beziehungsweise Finanzmittelherkünfte sind ebenfalls unbekannt. Aber er weiß schon, wie hoch die Miete für die Senioreneinrichtung sein wird – das ist bemerkenswert.
Es fällt auf, dass der Bürgermeister zwar einerseits den Bürgerschaftsbeschluss vom November 2022 zur Neuausrichtung zur SIE umsetzen will, andererseits aber die Bürgerschaftsbeschlüsse vom Februar und Juni 2023 mit keinem Wort erwähnt. In diesen wurde er nämlich zu konkretem Handeln zum Erhalt der Pflegeeinrichtung im HGH verpflichtet. Damit wird offenkundig, dass Herr Lindenau nach wie vor darauf abzielt, diese Beauftragung zu ignorieren. Kann er sich als Bürgermeister aussuchen, welche Beschlüsse der Bürgerschaft er umsetzt und welche nicht? Welch eine Missachtung der demokratisch gewählten Bürgerschaft! Solch ein Verhalten darf sich kein Bürgermeister leisten, der sein Amt gewissenhaft und qualifiziert wahrnimmt.

Die Initiative „Rettet das HGH“ bleibt dabei: Sie fordert den Bürgermeister auf, endlich die Bürgerschaftsbeschlüsse umzusetzen und die Ertüchtigung des Brandschutzes nicht länger zu blockieren. Er muss den dauerhaften Betrieb der Senioreneinrichtung auch über den 30.9.2023 hinaus sicherstellen und das Gebäudeensemble abschnittweise im laufenden Betrieb sanieren – zum Wohle der BewohnerInnen des HGH, in Befolgung der Bürgerschaftsbeschlüsse, und in seinem pflichtgemäßen Interesse als oberster Verwalter der Stiftung Heiligen-Geist-Hospital, diese für die Zukunft zu erhalten und zu stärken.
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www.heiligengeisthospitalretter.de

Die Initiative „Rettet das HGH“ widerspricht einer Rede von Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) und fordert weiterhin die Umsetzung des Bürgerschaftsbeschlusses. Foto: Archiv

Die Initiative „Rettet das HGH“ widerspricht einer Rede von Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) und fordert weiterhin die Umsetzung des Bürgerschaftsbeschlusses. Foto: Archiv


Text-Nummer: 160359   Autor: Initiative HGH, red.   vom 02.08.2023 um 10.12 Uhr

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