2. Sinfoniekonzert für Gourmets
Lübeck: Archiv - 22.10.2023, 17.00 Uhr: Mit dem großformatigen „Ein Heldenleben“ hatte GMD Stefan Vladar quasi ein Richard Strauss-Jahr eingeläutet. Bevor in der Oper „Elektra“ kommt, steht nun im 2. Sinfoniekonzert – neben Bizets C-Dur-Sinfonie – „Der Bürger als Edelmann“ auf dem Programm: Diese Orchestersuite op. 60 ist eine Rarität auf den Podien, die Erster Kapellmeister Takahiro Nagasaki in der MuK mit Takt und Gefühl anrichtet.Sozusagen als Hors d'oeuvre wird provencalische Leichtkost serviert. Georges Bizet, Schöpfer der „Carmen“, hat als Jüngling eine Sinfonie in C-Dur voller Sonnenlicht und Esprit geschrieben, der Nagasaki die klare Konsonanz und den rechten Drive gibt: Ein Allegro vivo der Gegensätze von eilenden Streichern und Bläser-Akkkorden, ein lichtes Adagio, ein sonnendurchglühtes Scherzo und erneut eilende Streicher im Finale – alles spricht in seiner Sommerlichkeit die Hörer an. Sie vergessen beim Genuss, dass Bizet sie in puncto Melodie auf Diät setzt, da er jeden Einfall unverdrossen repetiert, was Nagasaki mit seiner Feinarbeit fast vergessen lässt.
In „Der Bürger als Edelmann“ macht Richard Strauss dem Erzkomödianten Molière ein ironiegetränktes Kompliment nach dem anderen. Diese neun Sätze über einen Betrüger – die mit ihren Anspielungen und Zitaten in einem Diner gipfeln – sind allerhöchst selten zu hören, denn die Partitur mit relativ kleiner Besetzung richtet sich an Kenner. Nun hat der Komödiant Peter Ustinov verbindende Texte dazu geschrieben mit dem ironischen Tenor „Das Leben ohne Bildung ist ein Abbild des Todes“. Hier rezitiert sie der versierte Mime Andreas Hutzel mit seiner Sprachfreude und gibt die Stichworte zur „Speisenfolge“. Durch die sensible Führung von Takahiro Nagasaki wird das Menü in seiner Feinabstimmung wie in den derben Einwürfen immer delikater. Als Würze folgt in der verkleinerten Philharmoniker-Besetzung eine Solo-Kapriole auf die andere – und beweist, welch vorzügliche Musici Lübeck in seinem Orchester hat.
Nach anfänglicher Reserve kam das Sonntagsublikum auf den Geschmack und zollte dem Orchester großen Beifall – auch den vielen Solisten, die Nagasaki am Ende herausstellte – und vor allem dem Dirigenten, der Nebenwerke der Literatur nicht nur genießbar, sondern regelrecht schmackhaft macht. (Wiederholung am Montag, 23. Oktober, 19.30 Uhr in der MuK.)
Nach anfänglichem Zögern war das Publikum vom 2. Sinfoniekonzert begeistert.
Text-Nummer: 161961 Autor: Güz. vom 22.10.2023 um 17.00 Uhr