IHK: Kampf gegen den Bürokratie-Wahnsinn

Lübeck: Archiv - 05.01.2024, 14.34 Uhr: Am Freitag stellte die IHK zu Lübeck ihren Jahres-Rückblick und -Ausblick vor. Heftige Kritik gab es von den Wirtschaftsvertretern an der Bürokratie. Aber auch die Ansiedlung ausländischer Unternehmen mit hohen Subventionen sei falsch. Die Zahl der Unternehmensgründungen sei rückgängig.

"Damit unser Land auf den Wachstumspfad zurückkehren kann, müssen Bund und Europäische Union die Fesseln lösen und der Wirtschaft mehr Freiheiten geben, statt die Unternehmen mit Gesetzen eng an die Kette zu legen", forderte Hagen Goldbeck, Präses der IHK zu Lübeck, in der IHK-Jahrespressekonferenz.

Mittlerweile bestimmten bürokratische Hürden und gesetzliche Auflagen den unternehmerischen Alltag. Innovationen, Investitionen und Kreativität kommen daher immer kürzer, fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit von Rahmenbedingungen würden Betriebe belasten und unüberschaubare Risiken den Gründergeist ersticken, beklagte der Präses. „Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist nicht in die weltweite Spitze aufgestiegen, weil wir mehr oder bessere Vorschriften hatten als andere. Vielmehr hatten wir verlässliche Rahmenbedingungen, die die Entwicklung von Unternehmen und Standortfaktoren befördert haben. Diesen Zustand müssen wir schnellstmöglich wieder herstellen. Nur mit mehr Vertrauen in die Unternehmen, Reformen und wieder mehr Freiheiten im Markt können wir eine Wirtschaftsdynamik entfesseln, die Wachstum und Wohlstand dauerhaft sichert.“

„In der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt darf es weder verfassungswidrige Haushalte noch Streit um Schuldenbremsen oder kurzfristige Kehrtwenden beim Zugriff auf Förderprogramme geben. Leider präsentiert sich unser Land derzeit als fast handlungsunfähig. Und das ohne Not“, betonte der Präses. „An Geld mangelt es nicht, wohl aber an Vernunft-basierten Prioritäten und gut gemachten Gesetzen.“

Als abschreckendes Beispiel nannte er das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“. Es vereine in sich alles, was niemand brauche: „Überbordende Bürokratie, aufwendige Dokumentationen, unklare Formulierungen, eine fehlende Wirkungsanalyse und einen Generalverdacht gegen alle Unternehmen“, so Goldbeck. Zudem müssten sie permanent ihre Rechtschaffenheit belegen. „Wieso? Sie handeln bereits aus Überzeugung nach der Leitlinie des ‚Ehrbaren Kaufmanns‘“, betonte Goldbeck. Nachhaltigkeit auch in den Lieferketten gehöre längst zum unternehmerischen Alltag. Viele Betriebe engagierten sich schon heute über die gesetzlichen Anforderungen hinaus.

Überflüssige Subventionen

Zugleich warnte er davor, Leistungen und Ansiedlungen im internationalen Wettbewerb mit Subventionen zu erkaufen. „Um die Leistungsfähigkeit eines Standortes zu erhöhen, sollten wir darauf verzichten, jedem eine Ansiedlungsprämie zu zahlen.“ Langfristig entscheide nicht die vom Staat gestützte Wirtschaft über die Güte eines Standortes, sondern das Ineinandergreifen vieler Faktoren – von Investitionen in Bildung und die Innovationsfähigkeit der Unternehmen über einen funktionierenden Arbeits- und Fachkräftemarkt bis zur Verkehrs- und digitalen Infrastruktur.

Energiepreise zu hoch

Ein weiteres großes Ärgernis und Problem für die Wirtschaft sind die hohen Energiepreise. „Es ist zwar schön, in einem internationalen Ranking an erster Stelle zu stehen – aber doch nicht als Industriestaat mit den im Vergleich höchsten Energiepreisen!“, beklagte der Präses. Preisbremsen wären zwar eine kurz- bis mittelfristige Hilfe für die besonders energieintensiven Bereiche gewesen, aber keine Lösung, denn die Energie ist und bleibt zu teuer – vor allem für den Mittelstand. „Und sie wird noch teurer werden, auch wenn mit der Stromsteuerentlastung für produzierende Unternehmen eine langjährige Forderung der Wirtschaft in Erfüllung geht“, so Goldbeck.

„Der Marktlogik folgend sollten mit dem umfangreichen Ausbau erneuerbarer Energiequellen die Strompreise in Schleswig-Holstein sinken. Tatsächlich passiert das bei uns aber nicht, ganz im Gegenteil: Durch die einheitliche Strompreiszone in Deutschland wird mit der Zunahme erneuerbarer Energien der Börsenpreis zwar günstiger. Der Preis für den Strombezug beinhaltet aber auch die Kosten der Netzentgelte. Und die sind in Schleswig-Holstein am höchsten, weil die Betreiber hier am meisten in die Netze zur Anbindung der Erneuerbaren investieren. Die Kosten dafür legen sie aber nur auf die Verbraucher in Schleswig-Holstein um, obwohl alle davon profitieren.“

Auch müssten die Erzeuger ihre Windkraftanlagen häufig abschalten, weil Konzepte der dezentralen Speicherung und Geschäftsmodelle zur flexiblen Nutzung der Energie energiepolitisch nicht möglich sind oder sich aufgrund der schlechten Regulierung nicht rechnen. „Die dafür gezahlte Vergütung treibt zusätzlich die Netzentgelte in die Höhe. Es ist nun endlich an der Zeit, die Regulatorik an die neue dezentrale Energieversorgung mit Erneuerbaren anzupassen. Die Landesregierung sollte weiterhin konsequent den dafür notwendigen regulatorischen Rahmen in Berlin und Brüssel einfordern und kann sich dabei der Unterstützung der Wirtschaft im Hansebelt sicher sein“, sagte der Präses.

Die IHK wird daher im neuen Jahr ihre Aktivitäten verstärken, im konstruktiven Dialog mit der Politik in Bund und Land die Rahmenbedingungen für die Unternehmen deutlich zu verbessern, kündigte Hauptgeschäftsführer Schöning an. „Wir setzen uns ein für eine Sicherstellung der Energieversorgung und eine Senkung der Energiekosten, den Ausbau der Verkehrs- und digitalen Infrastruktur, die Förderung der Innovationskultur sowie eine Stärkung des Hansebelts als leistungsfähiger Standort in Europa“, kündigte er an. Die IHK sehe sich als „Teil der Lösung“, die ihren gesetzlichen Auftrag der Politikberatung mit eigenen Ideen erfüllt.

Rückgang bei Selbstständigkeit

Sorgen bereite der IHK der anhaltende Rückgang der Zahl der Selbstständigen. Der Negativtrend bei den Gründungen sei eine ernstzunehmende Herausforderung für die Wirtschaft, denn es gingen Wertschöpfung, Know-how und Innovationspotenzial verloren, betonte Schöning. Der Staat könne auch hier einiges bewirken, indem er für Aus- und Neugründer sowie Nachfolger den bürokratischen Aufwand deutlich reduziert.

Fazit: Noch eine stabile Lage

„Noch stemmt sich die Wirtschaft im Hansebelt erfolgreich gegen den Abwärtstrend, weil die Standortfaktoren hier stimmen“, so Goldbeck. Belege seien die weitgehend positive Entwicklung im Arbeitsmarkt. Auch die bundesweit erhobenen Konjunktur-Indices deuteten auf eine noch stabile Lage hin. „Allerdings gehen der Einzelhandel nach einem im Vergleich zum Vorjahr schwächeren Weihnachtsgeschäft und der Tourismus wegen trüber Aussichten mit Pessimismus ins neue Jahr.“

Im Original-Ton hören Sie ein Interview von Harald Denckmann mit IHK-Präses Hagen Goldbeck.

Nils Thoralf Jarck, stv. Hauptgeschäftsführer, Lars Schöning, Hauptgeschäftsführer, Pressesprecher Dr. Can Özren, Präses Hagen Goldbeck, und Rüdiger Schacht, stv. Hauptgeschäftsführer, berichteten über die Lage. Foto, O-Ton: H. Denckmann

Nils Thoralf Jarck, stv. Hauptgeschäftsführer, Lars Schöning, Hauptgeschäftsführer, Pressesprecher Dr. Can Özren, Präses Hagen Goldbeck, und Rüdiger Schacht, stv. Hauptgeschäftsführer, berichteten über die Lage. Foto, O-Ton: H. Denckmann


Hier hören Sie den Originalton:

Text-Nummer: 163459   Autor: IHK/red.   vom 05.01.2024 um 14.34 Uhr

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