Leitsystem: Mr. BlindLife checkt die Trave-Promenade

Damit Blinde sich besser orientieren können, gibt es zwei verschiedene „Kacheln“, die im Boden eingelassen werden: Mit Rillen, die wie eine Leitlinie geradeaus führen. Und mit Noppen wie man sie von Klemmbausteinen kennt, die signalisieren: Aufgepasst, hier ändert sich was am Weg. Die zwei Muster sollen mit dem Stock ebenso wie mit dem Fuß ertastbar sein. Und bei vorhandener Rest-Sehstärke durch unterschiedliche Farbgebung auch gut erkennbar.

Einen Leitstreifen, der die komplette Promenade entlangführt, gibt es nicht. Die Markierungen finden sich nur parallel zu Stufen. Bei glattem Promenadenpflaster markieren Noppensteine die Zugänge zu den Gastronomie-Betrieben.

Wo Natursteinpflaster liegen, sind keine zusätzlichen Noppensteine angebracht.

Zum System dahinter zitiert die Kurverwaltung den Architekten: „Die Leitlinie bezieht sich senkrecht auf die Stufe, ist also für Treppensteiger gedacht. In Längsrichtung wirkt der Kontrast zwischen glatten Betonplatten und Natursteinpflaster als taktile Linie.“

Wirkliche Kontraste bieten die ganzen Grautöne für Menschen mit stark eingeschränktem Sehvermögen allerdings nicht. „Für mich sieht das hier so aus, als würde der Architekt versuchen, das Design der Umgebung nicht durch die Leitstreifen zu zerstören“, meint dazu Erdin Ciplak, der sich als „Mr. BlindLife“ intensiv mit Leitstreifen beschäftigt. Egal ob auf YouTube, Instagram, Facebook oder Tiktok, seine Videos und den Spruch „Leitstreifen Freihalten“ kennen hunderttausende Follower, die Zuschauerzahlen gehen in die Millionen. Ciplak verfügt nur noch über zwei Prozent Sehkraft. Ausgestattet mit Blindenstock und flotten Sprüchen testet er Leitstreifen von Hamburg bis Freiburg.

Für HL-live.de hat sich Mr. BlindLife die Mühe gemacht, die Travepromenade anhand von Fotos einer ersten Einschätzung zu unterziehen. „Aus meiner Sicht ist die Farbe der Leitstreifen selbstverständlich schlecht gewählt“, sagt er. „Ich finde nicht, dass sie sich hervorheben.“

Da vor den Stufen gegenüber der Viermastbark „Passat“ Streifen angebracht sind und kein Aufmerksamkeitsfeld mit Noppen, vermutet er, dass diese Leitstreifen „um die Treppe herumführen und nicht zur Treppe.“ Man könne das aus seiner Sicht so verlegen, „aber sicherlich gäbe es eine bessere Lösung dafür.

Ein HL-live.de-Leser fragte zudem, wieso der Leitstreifen so eng zwischen Laterne und Stufen hindurchführt. Da könne es doch zu Unfällen kommen, fürchtet er. „Prinzipiell ist es immer besser, dass links und rechts vom Leitstreifen noch ein Meter Platz ist“, gibt ihm Mr. BlindLife recht. Zwar pendele man ja mit dem Stock von links nach rechts „und sollte Objekte mit dem Stock erwischen.“ Es könne aber auch passieren, dass man sie verpasse.

Was natürlich gar nicht geht, das wissen die Zuschauer seiner Videos, sind blockierte Leitstreifen. Etwa wie an der Ecke beim Bäcker, wo zwei Mülltonen und ein Hinweis-Schild zum fehlenden Winterdienst achtlos die Streifen verdecken.

Er sei noch nett mit seinem Urteil über die Travemünder Leitstreifen, weiß Mr. BlindLife. Und bislang kennt er ja nur einige Fotos. Das endgültige Urteil steht noch aus: „Ich muss da echt eines Tages mal vorbeikommen“, sagt er. Dann will er selbst vor Ort einen Leitstreifen-Check der Travemünder Strandpromenade vornehmen. Und natürlich wird er dazu ein Video für sein großes Publikum drehen.

Schwache Kontraste, nicht optimale Führung und durch Mülleimer blockierte Leitstreifen: Eine Top-Note in Sachen Barrierefreiheit gibt es für die Trave-Promenade nicht. Fotos: Helge Normann

Text-Nummer: 164401   Autor: Helge Normann   vom 28.02.2024 um 09.57 Uhr