Donizetti: Opernspaß für alle Generationen

Lübeck: Archiv - 09.03.2024, 14.10 Uhr: Zu Belcanto-Zeiten ein Hit – und immer noch bestes Opernvergnügen: Gaetano Donizettis „Die Regimentstochter“. Diese Opéra comique schreibt nun die Erfolgssaison im Theater Lübeck weiter. Das Publikum feierte die Premiere am Freitag, alle Mitwirkenden und zumal Elvire Beekhuizen, die kurzfristigst für die indisponierte Andrea Stadel die Titelpartie übernommen hatte.

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Obwohl diese Oper musikalisch voller Esprit ist, wird sie heute seltener aufgeführt: Zu hanebüchen ist die Handlung zwischen Tirolern und französischer Soltadeska sowie einem Findelkind vor 200 Jahren. Da haben sich Regisseur Pier Francesco Maestrini – nicht nur hier erfolgreicher Spezialist für Comic-Versionen italienischer Opern – und sein Team etwas einfallen lassen. Sie verlegen die Handlung in eine nachatomare Apokalypse, wo das resolute Girlie Marie wüste Burschen zur Raison bringt, sich in den Konformisten Tonio verliebt, der zu den Rebellen überläuft, aber nicht verhindern kann, dass Marie von der Vergangenheit (einer Herzogin und ihres Galans) regelrecht eingeholt wird. Dann aber siegt die Anarchie – ein Spiegel(zerr)bild unserer aus den Fugen geratenden Zeit...

In dieser Räuberpistole mit versöhnlichem (?) Finale bedienen sich Maestrini und sein Team vieler filmischer Mittel. Schon zur Ouvertüre läuft auf dem Vorhang ein Vorspann der Mitwirkenden, und während der zwei kurzweiligen Stunden bietet eine den ganzen Hintergrund einnehmende Leinwand ein vielfächriges Gegenwartspanorama. Einige Giftfässer und weniges Mobiliar lassen Raum für viel Bewegung, die Maestrini in die Protagonisten und den gut aufgelegten Chor bringt (Einstudierung Jan-Michael Krüger, Choreographie Alessandra Panzavolta). Maestrini macht aus einstigem Galgen- heutigen Sprengkrafthumor, scheut weder Albernheiten noch Übertreibungen – wie sie Menschen verstehen, die mit Comics aufgewachsen sind. Daran arbeiten auch Juan Guillermo Nova (Bühne) und Marco Nateri (Kostüme) mit Lust.

Ohne die Antriebskraft von Donizettis Musik wäre all das nicht zu denken. (Gerade das Leichte ist ja so schwer.) Was Dirigent Takahiro Nagasaki und die Lübecker Philharmoniker, nach etwas sprödem Beginn bei der Premiere, an melodischem Charme und rhythmischem Esprit servieren, ist Italianità in Reinkultur – und die Basis für die Sänger, die Maestrini herrlich typisiert hat.

Aus dem Opernstudio in eine gesanglich ungemein anspruchsvolle Hauptpartie hineingesprungen: Elvire Beekhuizen gewann bei der Premiere von Szene zu Szene mehr an Profil – als quicklebendige Marie, die die Strippen zieht, ebenso wie mit ihrem zwar noch nicht ausgereiften, technisch jedoch voll überzeugenden Sopran. Es war eine Freude, dieser Entwicklung über zwei Akte zu folgen. Für Yoonki Baek ist der Tonio wie ein 200-Meter-Lauf: zurückhaltend bis zur Kurve, auf der Zielgeraden (Cavatina „Ah! mes amis“) dann mehrmals das hohe C – das reißt von den Sitzen.

Schade, dass die Marquise von Berkenfeld nur eingangs eine große Szene hat: Laila Salome Fischer – ebenso grotesk wie der stets baritonsichere Steffen Kubach als Hortensius – schleudert die Spannweite ihres Soprans mit Emphase hoch hinaus. Und noch zwei Mitglieder des Opernstudios dürfen ihre großen Partien als bestandene Reifeprüfungen werten: Als Anführer Sulpice der urigen Gesellen bringt Laurence Kalaidjian seinen kernigen Bariton immer wieder zur Geltung, und als Korporal kann Changjun Lee seinen klaren Bass tönen lassen.

Das Premierenpublikum war höchst angetan von diesem spannenden und musikalisch faszinierenden Abend. Er ist auch der jungen Generation sehr zu empfehlen. Und ein Hinweis: Das Programmheft rechtzeitig zu lesen, bringt noch mehr Gewinn.

Yoonki Baek (Tonio) begeisterte das Publikum. Fotos: Olaf Malzahn

Yoonki Baek (Tonio) begeisterte das Publikum. Fotos: Olaf Malzahn


Text-Nummer: 164639   Autor: Güz.   vom 09.03.2024 um 14.10 Uhr

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