Gedanken zum Sonntag Rogate

Lübeck: Archiv - 21.05.2022, 08.43 Uhr: Pastorin i.R. Ellen Naß geht in ihren Gedanken zum Wochenende auf den Sonntag "Rogate", auf Deutsch "Betet", ein. Zur Wirkung von Gebeten zitiert sie biblische Worte von Jesus.

Als ich vor Jahren einmal im Konfirmandenunterricht das Thema „Gebet, Beten“ behandeln wollte, da sahen mich einige Konfirmanden und Konfirmandinnen erstaunt an. Dass wir Christen und Christinnen beten, war ihnen völlig unbekannt. Gebet war etwas, was in einer Moschee stattfindet, die Verbeugungen und die Kniefälle dort hatten sie schon oft im Fernsehen gesehen. In unseren Gottesdiensten geht es wesentlich unspektakulärer zu, in katholischen Gemeinden knien Menschen noch nieder, aber bei uns Evangelischen gibt es das nicht mehr. In meiner Kindheit knieten wir noch zum Abendmahl vor dem Altar, aber auch das ist inzwischen anders.

Morgen feiern wir den Sonntag „Rogate“. Das ist lateinisch und bedeutet „Betet“. Denn natürlich beten auch Christen, Jesus selbst hat uns Beten gelehrt, im Vaterunser ein Modell gegeben, in der gesamten Bibel werden wir immer wieder zum Beten aufgefordert. Das Buch der Psalmen ist nichts anderes als eine Sammlung von 150 Gebeten und betenden Liedern.

Auch darüber, wie Gott Gebete erhört, hat Jesus gesprochen. „Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!“

Nun wissen wir alle, dass längst nicht alle Eltern ihren Kindern nur Gutes tun. Gerade vor kurzem hat wahrscheinlich ein Vater seine zwei Kinder getötet. Eltern haben ihre Kinder verhungern lassen, totgeprügelt, missbraucht. Vielleicht fand es auch einer lustig, seinem Kind mit einer Spinne Angst zu machen. Und früher war auch nicht alles besser. Je rechtloser Kinder in einer Gesellschaft sind – und damals waren sie rechtlos – desto schlechter geht es ihnen, weil sie sich nicht zur Wehr setzen können, niemand für Misshandlungen zur Verantwortung gezogen werden kann.

Aber die meisten Menschen tun alles für ihre Kinder und Enkel, opfern sich eher für sie auf als sie zu quälen, tun alles, um ihre Wünsche zu erfüllen, ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. So und nicht anders ist Gott zu uns. Er tut eher mehr, um unsere Bitten zu erfüllen, als selbst die liebevollsten und aufopferungsvollsten Eltern tun würden.

Dabei ist ausgerechnet das Beispiel Jesu, nämlich das Essen, bei uns ein Dauerthema zwischen Eltern und Kinder. Das, was Eltern ihren Kindern anbieten und das, was diese als essbar ansehen, ist oft Welten voneinander entfernt. Eines meiner Kinder hat als absolutes Lieblingsgemüse angesehen, was in Großbritannien als allgemeines Hassobjekt für Kinder gilt, Brokkoli. Es soll Kinder geben, die gern Spinat essen, Kinder, die nicht gerne Süßes essen. Oft aber sind die Vorstellungen der Eltern von einem gesunden Essen und die der Kinder meilenweit voneinander entfernt.

Vielleicht hat Jesus ausgerechnet deshalb dieses Beispiel gewählt. Oft sind wir ja sehr ärgerlich, wenn wir Gott um etwas Bestimmtes bitten und es nicht bekommen, haben daraufhin beschlossen: „Beten hat doch keinen Zweck!“ So, wie Kinder sich ärgern, wenn sie kein Bonbon oder keine Pommes bekommen, so ärgern wir uns, dass wir nicht bekommen haben, was wir wollten. Kinder sind dann auch oft auf ihre Eltern wütend, versuchen sich einzureden, sie wären adoptiert.

Doch im Rückblick stellen wir dann fest, dass das, was wir bekommen haben, viel besser und gesünder war als das, was wir uns gewünscht haben. Ich war häufig froh und dankbar, dass es so kam, wie es gekommen ist, und ich war Gott dankbar dafür, dass Er nicht meine Wünsche, aber mein Gebet erhört hat.

Sichtbar war bei den Gebeten nicht viel. Oft ist es nur ein Stoßgebet. Ob wir knien, sitzen, uns verbeugen ist gleichgültig. Aber wie auch immer wir beten: Gott erhört uns, besser als wir uns das vorstellen können, wir können Ihm alles sagen, Er wird helfen.

Pastorin i.R. Ellen Naß macht sich Gedanken über die Wirkung von Gebeten.

Pastorin i.R. Ellen Naß macht sich Gedanken über die Wirkung von Gebeten.


Text-Nummer: 151803   Autor: red.   vom 21.05.2022 um 08.43 Uhr

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