Gedanken zum Schulanfang

Lübeck: Archiv - 20.08.2022, 08.49 Uhr: Pastorin i.R. Ellen Naß widmet ihre Gedanken zum Wochenende dem Schulanfang. Viele Kinder sind in dieser Woche neugierig in einen neuen Lebensabschnitt gestartet. Für einige ABC-Schützen beginnt die Schulzeit aber auch mit einer Enttäuschung.

Als ich letzten Mittwoch mit meinem Hund unterwegs war, da traf ich sie auf der Straße: Schulanfänger und Schulanfängerinnen mit ihren Eltern und Großeltern, auf dem Weg zum Gottesdienst, um den ersten Schultag zu feiern. Sie hielten ihre – noch geschlossenen – Schultüten fest umklammert, hatten riesige bunte Ranzen auf dem Rücken. Man sah ihnen an, wie stolz sie waren und glücklich: Endlich groß, endlich ein Schulkind.

An meinen 1. Schultag kann ich mich noch gut erinnern. Die Karte, die wir im Gottesdienst geschenkt bekamen, haben wir über Jahrzehnte behalten, sie versprach Segen und Begleitung auf allen Wegen. Auch ich hatte eine Schultüte. Aber schon damals wusste man, wie schädlich zu viele Süßigkeiten für Kinder sind, deshalb nahm den meisten Platz ein Gesellschaftsspiel ein, Zahlenlotto, was mir nie Spaß gemacht hat. Mein kleiner Bruder bekam eine kleine Schultüte, damit er auch etwas hatte – als er drei Jahre später eingeschult wurde, bekam ich keine. Das ärgert mich bis heute ein wenig.

Außerdem war der Unterricht am ersten Tag eine Enttäuschung. Statt Lesen und Schreiben zu lernen mussten wir etwas malen – ich male bis heute nicht gerne und auch noch schlecht. Ich kam nach Hause und beklagte mich – gemalt hatte ich schließlich schon im Kindergarten. Aber dass ich mich so genau erinnere nach so vielen Jahrzehnten, zeigt, wie einschneidend, wie wichtig dieser Tag im Leben eines Menschen ist.

In den vielen Einschulungsgottesdiensten, die ich gehalten habe, habe ich in viele erwartungsfrohe und glückliche Kindergesichter geblickt, meistens etwas wehmütig. Denn als Erwachsene wusste ich, dass dieser Stolz und diese Freude nicht lange anhalten würde.

In der Schule wird man beurteilt, stellt fest, dass man Dinge nicht so gut kann wie man gerne möchte. Man muss Sachen lernen, die einen wenig oder gar nicht interessieren, weil sie anscheinend wichtig sind. Es sind andere Kinder und Lehrer und Lehrerinnen da, die man nicht mag oder die einen nicht mögen. Anders als noch im Kindergarten haben, so habe ich es jedenfalls erlebt, Eltern wenig Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“, ist da ein schwacher Trost, und vieles braucht man in Wirklichkeit ja nie wieder.

Deshalb war es mir immer wichtig, den Kindern – und ihren Familien – in diesem Gottesdienst eines mitzugeben: „Gott liebt euch so, wie ihr seid, auch wenn ihr Dinge nicht so gut könnt, langweilig findet, andere euch ausgrenzen. Lasst euch nicht einreden, ihr seid weniger wert, nur weil ihr vielleicht nicht so gut schreiben, lesen, rechnen, turnen, malen, singen lernen könnt.“

Als Mütter ihre Kinder zu Jesus bringen wollten, da wollten seine Jünger sie wegschicken – Kinder zählten damals gar nichts. Jesus sah das anders, er ermahnte seine Jünger, ließ die Mütter ihre Kinder bringen und er segnete sie.

Nicht nur das: anschließend stellte er die Kinder als Vorbild hin. Wir sollen werden wie die Kinder, so sagt er. Wie die Schulanfänger und Schulanfängerinnen glücklich und erwartungsfroh in die Zukunft zu blicken, auch wenn man sie nicht genau kennt, das können wir von den Kindern lernen. Zu vertrauen, dass für einen gesorgt wird, auch das können wir von ihnen lernen.

Wir können von ihnen lernen, dass Gottes Segen mit uns geht, wohin auch immer wir gehen, dass wir darauf vertrauen können. Auch ich habe letztendlich noch lesen und schreiben gelernt, habe nette Lehrer und Lehrerinnen gehabt, wenn auch nicht nur, Mitschülerinnen, die ich mochte, mit meinem Bruder verstehe ich mich trotz seiner Schultüte immer noch gut. Wir dürfen wissen, dass wir unendlich wichtig und einmalig sind, weil wir Gott wichtig sind.

Ich wünsche allen, die letzte Woche eingeschult wurden, allen Schülerinnen und Schülern, dass sie das – nicht nur – im kommenden Schuljahr erleben, und uns allen, dass auch wir immer wieder diese Erfahrung machen.

Pastorin i.R. Ellen Naß erinnert sich noch gut an ihren ersten Schultag.

Pastorin i.R. Ellen Naß erinnert sich noch gut an ihren ersten Schultag.


Text-Nummer: 153419   Autor: red.   vom 20.08.2022 um 08.49 Uhr

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