Gedanken über den Verzicht

Lübeck: Archiv - 28.01.2023, 08.50 Uhr: Pastorin i.R. Ellen Naß beschäftigt sich in ihren Gedanken zum Wochenende mit einem neuen Trend: dem Verzichten im Januar. Fastenzeiten und Speisevorschriften gibt es in vielen Religionen. Aber ist auch sinnvoll?

Kennen Sie den „Veganuary““? Ich muss zugeben, ich habe erst vor kurzem zum ersten mal davon gehört. Es gibt auch den „Dry January“, so habe ich dabei gelernt. Warum die Begriffe Englisch sein müssen, weiß ich nicht, es klingt wahrscheinlich einfach besser.

„Dry January“ - also trockener Januar – ist nicht ein Januar ohne Regen, sondern ein Januar, in dem jemand trocken ist, also keinen Alkohol trinkt. „Veganuary ist aus zwei Begriffen zusammengesetzt – wieder Januar und diesmal vegan. Menschen nehmen sich vor, im Januar vegan zu leben.

Mindestens der trockene Januar ist – nach Glühwein und Weihnachtsfeiern bestimmt gut für unseren Körper. Einen Monat vegan zu leben soll zusätzlich dann auch noch gut für das Tierwohl, die Umwelt und das Klima sein.

Auf die Idee, ausgerechnet im Januar auf etwas zu verzichten, bin ich noch nie gekommen. Ganz früher soll ja die Adventszeit solch eine Zeit gewesen sein, in der die Menschen fasteten, auf Süßes und Fleisch verzichteten, um sich auf die Ankunft Gottes zu Weihnachten in ihrem Leben vorzubereiten. Es gibt von der evangelischen Kirche auch die Aktion: Der andere Advent, die sich darauf gründet. Im Februar, nach Aschermittwoch, beginnt die Passionszeit, in der auch früher auf vieles verzichtet wurde. Der Januar ist ein völlig neuer Termin – auch wenn die Frauenzeitschriften schon seit Jahrzehnten in diesem Monat Diätpläne und -tipps drucken, damit man die zusätzlichen Kilos der Weihnachtszeit wieder verliert.

Praktisch alle Religionen haben Vorschriften, was man essen und trinken darf und was nicht, kennen Zeiten, in denen verzichtet wird. Dass Moslems und Juden kein Schweinefleisch essen, das wissen wir alle, den Ramadan kennen wir auch. Moslems dürfen keinen Alkohol trinken, Hindus kein Rindfleisch essen. Als in einem britischen Distrikt moslemisches Schulessen eingeführt werden sollte – mit der Begründung, das wäre etwas, was alle Kinder, egal welcher Herkunft, essen dürften – protestierten die Sikhs. Sie durften es nicht essen.

Bei uns gab und gibt es in der katholischen Kirche die Fastenzeiten, freitags wurde kein Fleisch gegessen, weil Jesus an einem Freitag gekreuzigt wurde. Im Mittelalter gab es so viele Fastentage, und Lebensmittel waren ja sowieso viel knapper als heute, dass der Biber zum Fisch erklärt wurde, schließlich lebt er im Wasser. Die Maultaschen wurden erfunden, weil man da das Fleisch nicht sah. „Herrgottsbescheißerle“ werden sie mundartlich genannt, weil man mit ihnen das Fleischverbot umgehen konnte.

Das Bedürfnis, sich über das Essen einzuschränken, scheint zutiefst im Menschen verankert, sonst gäbe es das nicht überall auf der Welt. Die Gründe sind vollkommenen unterschiedlich – eins aber ist immer gleich: Indem man auf etwas verzichtet, was einem lieb und wert ist, erreicht man etwas, was man sich wünscht – eine heile Umwelt, ein gutes Verhältnis zu Gott, einen gesünderen Körper.

Jesus hat einmal gesagt: „Es gibt nichts, was von außen in den Menschen hineingeht, das ihn unrein machen könnte; sondern was aus dem Menschen herauskommt, das ist‘s, was den Menschen unrein macht.“ (Markus7,15) Nicht was wir essen oder trinken ist für Jesus entscheidend, sondern was wir reden und tun, wie wir andere behandeln.

Wenn auf andere herabgesehen wird, weil sie sich anders ernähren – gleichgültig, ob jemand das aus religiösen Gründen oder gesundheitlichen Gründen tut, dann muss ich immer an dieses Wort Jesu denken.

Natürlich ist es gut, auch einmal auf etwas zu verzichten. Dann weiß man hinterher viel besser, wie schön es ist, es wieder zu haben – oder im Fall von Alkohol und Zigaretten, dass es auch ohne geht. Wichtiger aber ist der Umgang miteinander, dass nichts Unfreundliches, Gemeines, Unreines aus uns herauskommt, so wie Jesus es gesagt hat. Statt Dry January oder Veganuary sollten wir vielleicht lieber freundliches Leben machen – nicht nur in diesem einen Monat, sondern immer.

Pastorin i.R. Ellen Naß erinnert ein Jesus-Zitat zum Thema

Pastorin i.R. Ellen Naß erinnert ein Jesus-Zitat zum Thema


Text-Nummer: 156392   Autor: red.   vom 28.01.2023 um 08.50 Uhr

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